Von Käthe Kollwitz bis Otto Dix: Die Künstler des Berliner Realismus malten die Kritik am System in ihre Bilder ein. Das Bröhan Museum widmet ihnen nun eine Schau.
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04.04.2018
Schon Kaiser Wilhelm II. unternahm den Versuch, den Berliner Realismus als „Rinnsteinkunst“ niederzumachen. Auch die Kunstgeschichte präsentiert ein vorwiegend distanziertes Verhältnis zum Realismus: Die Auftraggeber, Kirche und Staat, sahen sich und ihre in „Historienbildern“ vollzogene Selbstdarstellung durch realitätsnahe Bilder gefährdet. Das der Legitimation des Monarchen dienende Herrscherbild hatte keine Beziehung zur Realität – Glorifikation braucht ein anderes Ambiente. „Alltägliche“ Personen durften nicht im Bild erscheinen. Diese herrscherorientierten Bild-Traditionen bestimmten die Seherwartungen – und die Reaktion Wilhelms II.
Mit einer üppig bestückten Ausstellung führt das Bröhan-Museum nun vor, wie falsch der Kaiser lag. Für die Zeit von 1890 bis 1930 demonstrieren Gemälde, Grafiken und Fotografien aus Museumsbesitz zusammen mit Leihgaben internationaler Institutionen die in Berlin explizit sozialkritische Ausrichtung des Realismus.
Der Realismus markiert den dramatischen Moment der Emanzipation der Kunst von den Auftraggebern. Kunst agiert seither selbstbestimmt. In Themenwahl und Darstellungsmitteln. Kennzeichnend für den Charakter des „Berliner Realismus“ ist die Anteilnahme der Bildgestalter an den erbärmlichen Lebens- und Wohnverhältnissen der im Gefolge von Industrialisierung stark angewachsenen Berliner Arbeiterschaft. Das immer spürbare Mitgefühl begründet Qualität und Bildzauber: Ein besonders schönes Beispiel ist der „Zeitungsjunge“, den Conrad Felixmüller mit so viel Herzblut ins Bild setzen konnte, dass man den Jungen einfach lieb haben muss.
Berliner Realismus. Von Käthe Kollwitz bis Otto Dix
Bröhan-Museum, Berlin
bis 17. Juni 2018