Kunstwissen

Frisch promoviert

Rund zweihundert kunstgeschichtliche Doktorarbeiten werden jährlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz publiziert: Wir stellen Ihnen die interessantesten vor, zum Beispiel die von Iris Brahms, deren Buch über die Tradition der Farbgrundzeichnung bis zu Albrecht Dürer soeben erschienen ist.

Von Iris Brahms
14.06.2018

Was ist Ihr Thema?
Zeichnungen auf farbigen oder farbig grundierten Papieren im 15. Jahrhundert nördlich der Alpen, also bis Albrecht Dürer. Der Titel meines Buches lautet: „Zwischen Licht und Schatten. Zur Tradition der Farbgrundzeichnung bis Albrecht Dürer“, darin werden die Ästhetik und Funktion solcher Blätter mit aktuellen Methoden der Kunstgeschichte untersucht und kontextualisiert.

Wie sind Sie darauf gekommen?
Es sind faszinierende Blätter, die vor allem für die große Herausforderung Zeugnis ablegen, wie Zeichner den Schattenpartien verschieden helle Reflexlichter hinzufügten, um den dargestellten Figuren einen möglichst überzeugenden Anschein von Dreidimensionalität zu verleihen. Es handelt sich häufig um Figurenstudien oder Porträts, zuweilen können biblische oder auch profane Sujets in eine Landschaft integriert sein, so dass eine vollständige Komposition entsteht. Besonders berühren mich solche Darstellungen, denen ein ebenfalls mit Licht und Schatten ausgeführter und daher täuschend echter Rahmen hinzugefügt wurde, damit sie tatsächlich als abgeschlossene Bilder wahrgenommen werden. Die ästhetischen Erscheinungsbilder sind so facettenreich wie ihre Funktionen, was anhand von Zeichnungen, die vor Dürer nördlich der Alpen entstanden, von der Forschung bisher vernachlässigt wurde.

Wie würden Sie Ihrem Nachbarn das Thema erklären?
Den Aufwand, das Papier in einem eigenen Arbeitsgang mit einer oder auch mehreren Farbschichten zu grundieren, bedarf einer Erklärung. Schriftliche Quellen belegen, dass Künstler in dieser Zeichentechnik das Modellieren von Licht und Schatten erprobten, um dies in die buntfarbige Malerei zu übertragen. Doch beläuft sich die Funktion der „Farbgrundzeichnungen“ nicht nur auf die Vorbereitung von Malerei. Vielmehr entstanden darin komplexe Kompositionen und fertige Bilder, so dass es auch um eine Emanzipation des Zeichenmediums in Konkurrenz zur Druckgraphik geht. Diese Dimension lässt wiederum Rückschlüsse auf ein sich wandelndes Künstlerverständnis zu.

Welche Ihrer Thesen wird die Gemüter Ihrer Fachkollegen erhitzen?
Dass sich ein jüngerer Künstler – Hans Baldung, gen. Grien – zu Beginn seiner Karriere dem größten Meister Albrecht Dürer mit einem virtuosen Selbstporträt in äußerst selbstbewusster Pose empfiehlt.

Was war der schönste Moment Ihrer Recherchen?
Das Studium vor den originalen Kunstwerken, die in den über Europa und Amerika verstreuten Sammlungen zum Teil nur äußerst restriktiv zugänglich sind. Wenn ich in einigen Sammlungen sogar mit RestauratorInnen die Blätter durch ein Mikroskop betrachten konnte, erfuhr ich Verblüffendes über die verwendeten Materialien und ihre sukzessive Veränderung über die Jahrhunderte ihrer Erhaltung.

Was war die schwierigste Phase?
Als es auf die Zielgrade ging und ich parallele Projekte wie meine Familie sträflich vernachlässigen musste.

Haben Sie beim Schreiben seltsame Marotten entwickelt?
In solchen dichten Phasen kann ich die Zeit um mich herum vergessen und viel zu wenig essen, schlafen, trinken.

Welcher Snack hat Sie durch harte Stunden gebracht?
Schokoladencroissants von einem Bäcker auf dem Weg zur Bibliothek, der den Teig noch selbst zusammenknetet.

An welcher Universität haben Sie die Dissertation eingereicht?
Freie Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut.

Wieviele Seiten hat die Publikation?
404

In welchem Verlag ist sie erschienen?
Wilhelm Fink Verlag, in der Reihe: Berliner Schriften zur Kunst

Was haben Sie jetzt vor?
Weiter zu Zeichnungen und deren Erscheinungsformen wie Herstellungstechniken forschen, um den Blick auf das Medium in der Kunsttheorie von der Vormoderne bis heute zu untersuchen bzw. zu schärfen. Nach knapp fünf Jahren Forschung und Lehre am Kunsthistorischen Institut der FU kann ich dies zur Zeit auf einer Forschungsstelle am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München durchführen, die mir genügenden Freiraum für Kooperationen wie mit dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln lässt.

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