Im Zeppelin Museum in Friedrichshafen spinnen Gegenwartskünstler die Bauhaus-Moderne fort
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18.03.2019
Bauhaus, Bauhaus, Bauhaus. Wohin man auch schaut, überall wird derzeit an die Schule der Moderne erinnert. Noch das kleinste Fitzelchen Teilhabe wird in Ausstellungen umgemünzt, deren Vielzahl inzwischen kein Mensch mehr überblicken kann.
Umso erfrischender ist der Zugang, den man am Zeppelin Museum in Friedrichshafen gewählt hat. Das Museum, das sich gleichermaßen mit Kunst und Technik (Zeppeline!) beschäftigt, geht in der Ausstellung „Ideal Standard“ der Frage nach, wie ein Bauhaus heute aussehen könnte. Woran würde es arbeiten? Welche Utopien wären die Leitsterne? Wie sähen konkrete Ideen aus?
Fünf zeitgenössische Positionen stellen die Kuratoren Dominik Busch und Erika Hock vor, die mal mehr, mal weniger auf das Bauhaus Bezug nehmen. Am offensichtlichsten verkörpert die amerikanische Künstlerin Andrea Zittel eine solch imaginierte Kontinuität. Sie ist mit einer ihrer „Living Units“ vertreten, einer jener aufklappbaren, aufs Wesentliche reduzierten Wohnboxen, mit denen sie in den 1990er-Jahren bekannt geworden ist.
Mit ihrem altmodischen Holzlook und der durchdachten Funktionalität, die alle Aspekte des alltäglichen Lebens wie Schlaf, Arbeit, Nahrungsaufnahme und Körperpflege auf engstem Raum bündelt, weckt sie Erinnerungen an die berühmte „Frankfurter Küche“ von Margarete Schütte-Lihotzky. Zugleich verdeutlicht sie, wie virulent das Thema Wohnen noch immer ist. Zittels Boxen wirken wie Vorläufer der heute bei jungen Architekten so beliebten „tiny houses“, mit denen Mobilität, Autarkie und Bezahlbarkeit glücklich vereint werden sollen.
Ebenfalls ungelöst und wieder mächtig auf die Tagesordnung drängend ist die Frauenfrage. Heute wissen wir, dass am Bauhaus Frauen wie Gunta Stölzl eine wichtige Rolle spielten, von der Männerriege um Gropius, Breuer oder Mies aber an den Rand gedrängt wurden. Daran knüpft Katarina Burin an, indem sie an das Werk der Architektin Petra Andrejova-Molnár (1899–1985) erinnert.
Mit Zeichnungen, Fotografien und Modellen rekonstruiert die slowakische Künstlerin akribisch das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Hotel Nord-Sud an der kroatischen Küste – ein nur wenigen Kennern bekanntes Schlüsselwerk der Moderne von Andrejova-Molnár. Es hat nur leider nie existiert, ebenso wenig wie die Architektin selbst. Aber es hätte existieren können, so der Impetus Burins, oder, wer weiß, vielleicht existiert ja etwas Ähnliches, was noch der Entdeckung harrt.
Nicht fiktiv ist hingegen die Existenz der Designerin Lilly Reich, die ab Mitte der 1920er-Jahre aufs Engste mit Mies van der Rohe zusammenarbeitete. Das von ihr gestaltete Café Samt und Seide, das 1927 auf einer Mode-Ausstellung in Berlin für Furore sorgte, ist der Ausgangspunkt für Erika Hocks Installation aus halb durchsichtigen, intensiv farbigen Fadenvorhängen. Sie strukturiert zugleich den Ausstellungsparcours und schafft kleine Inseln der Begegnung.
Für das Bedrucken der hauchdünnen Fäden verwandte Hock eine noch wenig erprobte Technologie und markiert so den Übergang zum nächsten Thema. Digitalisierung! Künstliche Intelligenz! Industrie 4.0! Wie aus naher Zukunft wirken die aus organischen und anorganischen Strukturen zusammengefügten Skulpturen des Künstlerduos Pakui Hardware, die die Schönheit von Eisblumen ausstrahlen. Und Christopher Kulendran Thomas entwickelt mit seinem „New Eelam“-Projekt die Utopie einer selbstgewählten Staatsbürgerschaft in der Cloud. Sein in Start-up-Ästhetik gehaltener, halbstündiger „Werbefilm“ für „New Eelam“ ist das heimliche Highlight der Ausstellung. Das Bauhaus ist also nicht nur Geschichte. Es lebt. Und zwar da, wo es begonnen hat: in der Provinz.
„Ideal Standard. Spekulationen über ein Bauhaus heute“
Zeppelin Museum Friedrichshafen
bis 28. April