Die schönsten Kunstausstellungen im Oktober: Im Herbst erwarten uns ungewöhnliche Schätze in Konstanz, das elegante Œuvre von Elena Liessner-Blomberg im Sprengel Museum in Hannover und impressionistische Meisterwerke im Museum Barberini
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01.10.2020
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 176
Bolschoi-Theater und Oktoberrevolution – auch in späteren Werken von Elena Liessner-Blomberg wie „Dame mit Säule“ (1931) erkennt man noch die Spuren von beiden Einflüssen. Ihr Auge für Eleganz und Mode schulte die 1897 in Moskau geborene Künstlerin im Korsettatelier ihrer Mutter, das viele Schauspielerinnen und Balletttänzerinnen aufsuchten. Nach der Revolution studierte sie dann ab 1920 an den neuen Höheren Künstlerisch-Technischen Werkstätten, wo Avantgardisten wie Malewitsch zum Lehrpersonal gehörten – und entdeckte den formenzertrümmernden Kubismus für sich. In dieser aparten Mischung ist sie bis heute unübertroffen.
„Schwerter zu Pflugscharen“ war nicht nur in der DDR ein Slogan der Friedensbewegung. Dank Pedro Reyes lautet das zeitgenössische Update nun: „Schusswaffen zu Spieluhren“. Der Mexikaner kam für seine neue Werkserie „Disarm Music Box“ (2020) auf die zündende Idee, von ausgewählten Waffenfirmen Pistolen und Gewehre aufzukaufen, und deren Läufe so zusägen zu lassen, dass sie – von Hämmerchen angeschlagen – auf einer vorher bestimmten Tonhöhe schwingen. Die Lieder seiner Messingspieluhren passte er den Heimatländern der Waffen an. Glock-Pistolen erzeugen so Mozart-Klänge, Beretta-Läufe Vivaldis Kompositionen. Und in der eidgenössischen Variante – „Disarm Music Box (Karabiner/Matter)“ – erklingt der Schweizer Mundart-Liedermacher Mani Matter. Mit schlichter Eleganz und handwerklicher Finesse spielt Reyes uns hier das Lied vom Tod.
Vielleicht besaß kein zweites Werk Anfang des 20. Jahrhunderts so viel Seele wie das von Ernst Barlach. Seine bekannten Holzskulpturen wie der „Lesende Klosterschüler“ von 1919 oder das „Frierende Mädchen“ von 1917 (aus Mooreiche) sind weder Abbildungen noch Symbolfiguren – es sind Persönlichkeiten. Von Menschlichkeit durchdrungen scheinen auch die Zeichnungen und Grafiken Barlachs: Ein Holzschnitt wie „Schreibender Prophet (Johannes auf Patmos)“ von 1920 macht ohne biblisches Vorwissen die Last eines Ausnahmelebens begreifbar. Die Dresdner Schau zeigt die Vielseitigkeit des vor 150 Jahren bei Hamburg geborenen Künstlers und Schriftstellers.
Alle Verschwörungstheoretiker bitte mal ruhig durchatmen! Es ist klar, dass jeder Staat Spione ausschickt. Und natürlich finden Künstler die Agentenwelt spannend – trotzdem setzen sie nicht gleich den Aluhut auf. Der Neuseeländer Simon Denny etwa nutzt in seinen Vitrinen-Installationen Bilder, die er von der Homepage des Grafikdesigners David Darchicourt genommen hat – der von 1996 bis 2012 Kreativdirektor der amerikanischen National Security Agency (NSA) war. Dennys „Modded Server-Rack Display with David Darchicourt Commissioned Map of Aotearoa New Zealand“ (2015) trifft nun auf ähnlich komplexe Werke wie Thomas Demands Papiermodellfoto von Barschels Badewanne. James Bond würde diese Ausstellung empfehlen.
Nach der großen Monet-Schau im Frühjahr führt uns der Sammler Hasso Plattner seine Liebe zum Impressionismus erneut vor Augen. Schöner noch: Die 100 gezeigten Werke aus seiner Sammlung und Stiftung werden als Dauerleihgabe im Museum bleiben. Man bewundert erneut die Monets, aber auch das goldene Licht in Paul Signacs „Der Hafen bei Sonnenuntergang“ (1892), Gustave Caillebottes Fensterblick aus der Pariser Rue Halévy von 1878 oder Camille Pissarros muntere Winterstimmung „Raufreif, eine junge Bäuerin macht Feuer“ von 1888. In Sachen Museumsstandort Potsdam hat Plattner also die Karten auf den Tisch gelegt, und es sind sehr viele Trümpfe dabei.
Und noch ein 150. Geburtstag – diesmal von einem Haus: 1870 richtete in Konstanz der Stadtrat und Apotheker Ludwig Leiner im verwaisten Zunfthaus „Rosgarten“ eine „Alterthumshalle“ ein. Dort zeigte er Objekte, die er vor Vernichtung und Vergessen bewahrt hatte. Bis heute ist das Rosgartenmuseum das kulturhistorische Gedächtnis der westlichen Bodenseegegend. Zum Jubiläum werden die Schätze der eigenen Sammlung groß gezeigt, zum Beispiel die kostbare, illustrierte Chronik Ulrich von Richentals zum Konstanzer Konzil (1414–1418) oder die in aufwendiger Handarbeit geschaffene Radhaube (um 1900) – eine modische Erfindung der Seeregion. Im Fokus sind auch die Werke der Malerin Marie Ellenrieder.