Ohne die Briten ist die europäische Kultur arm dran: Eine Kunstauktion bei Bonhams bietet vieles, was wir an den kreativen Inselbewohnern so lieben
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22.02.2021
Nicht nur eine neue Eiscremesorte erhielt Mitte der Neunzigerjahre das Etikett „Cool Britannia“. Das Schlagwort wurde damals generell zur selbsterfüllenden Prophezeiung: Plötzlich galt jedes Kulturphänomen, das im Radius von 20 Meilen um den Piccadilly Circus herum entstand, als hip. In dieser Zeit schlich auch ein unbekannter Sprayer durch die Straßen Londons und hinterließ bemerkenswerte Bilder auf den Wänden. Banksy war angeblich sein Name. Das Londoner Auktionshaus Bonhams versteigert nun sein mittelgroßes Siebdruckbild „Girl with Balloon“ (2004) aus einer 600er-Auflage in der Auktion „British. Cool.“ am 25. Februar zum stolzen Schätzpreis von 120.000 bis 170.000 Euro. Oh well.
International weniger berühmt und begehrt ist Banksys Motiv „Pulp Fiction“, dabei gehörte es einst zu seinen sichtbarsten: 2002 brachte es der Schablonensprayer illegal an einer Fassade über dem Kreisel an der Old Street an – einem der wichtigsten Verkehrsknoten Ostlondons. Immerhin fünf Jahre blieb das Bild intakt, das allen Passaten zeigte, wie man im Image-Wettkampf den entscheidenen Trumpf ausspielt: Den eigentlich so coolen Killern aus dem legendären Film „Pulp Fiction“ (1994) des US-Regisseur Quentin Tarantino gab Banksy statt Pistolen zwei Bananen in die Hände und sie so ein wenig der Lächerlichkeit preis. Ein mittelgroßer Siebdruck des Motiv aus einer 600er-Auflage des Jahres 2004 ist jetzt auf 46.000 bis 69.000 Euro taxiert.
Es wäre nun falsch zu glauben, „Cool Britannia“ hätte seine Inspiration ausschließlich im Blick auf Amerika gefunden. In den Neunzigerjahren waren viele erfolgreiche Kulturphänomene junge Eigengewächse: Zu den Exportschlagern „made in Britain“ zählten die Dramatikerin Sarah Kane und ihr Kollege Mark Ravenhill, die Autoren Nick Hornby („High Fidelity“) und Irvine Welsh („Trainspotting“) und natürliche Musiker und Musikerinnen von Boy-Bands (Take That), Girl-Bands (Spice Girls) und Rockbands (Oasis, Blur). Zudem hatte Britannien mit Kate Moss, das coolste Supermodel – was die Bonhams-Auktion eindrucksvoll mit einer Reihe von Fotografien unterstreicht. Ein Abzug der Londonerin in einem verspiegelten Badezimmer von Mario Testino soll zwischen 4600 und 6900 Euro einbringen. Ein 3D-Print mit dem Titel „Kate Moss She’s Light (Pure)“ von Chris Levine aus dem Jahr 2014 ist sogar auf 23.000 Euro bis 35.000 Euro geschätzt.
Vergessen wird dabei leicht, dass die zweite Welle britischer Coolness massiv auf der ersten aufbaute, die in den späten Fünfzigern und vor allem den „Swinging Sixties“ durch die Welt schwappte. In London wurde die Pop-Art erfunden, und Liverpool brachte eine Band hervor, die sehr schnell „populärer als Jesus“ wurde – The Beatles. Das gleichnamige Posterset des amerikanischen Fotografen Richard Avedon aus dem Jahr 1967, das Bonhams zur Taxe von 3500 bis 5800 Pfund offeriert, hat die magische Ausstrahlung der „Fab Four“ kongenial konserviert.