Von Quedlinburg bis Rammelsberg

In Quedlinburg erwarten uns der mittelalterliche Domschatz und die Werke Lyonel Feiningers. Zum Abschluss bewundern wir die stolze Bergbaugeschichte des Harz im Weltkulturerbe Rammelsberg

3. Tag

Heute starten wir in Quedlinburg am nordöstlichen Rand des Harzes. Im Stadtteil Gernrode ganz im Süden der Stadt befindet sich in der Stiftskirche St. Cyriakus eine außergewöhnliche Ausdrucksform geistlicher Kunst: das Heilige Grab. Entstanden um 1100, bildet es die Grabstätte Jesu in der Grabeskirche von Jerusalem nach und erzählt mit seinem Figurenrelief von der Auferstehung. Das Scheingrab ist wohl die älteste Anlage dieser Art nördlich der Alpen und war im Mittelalter Zentrum der Osterfeierlichkeiten. Die Kirche selbst stammt aus dem 10. Jahrhundert und ist ein herausragendes Zeugnis ottonischer Architektur.

Nach diesem Einblick in die hochmittelalterliche Fröm­migkeit geht es in die gut zehn ­Kilometer nördlich gelegene Altstadt von Quedlinburg. Auf einem Hügel gründete hier im 10. Jahrhundert die heilige Mathilde, die Mutter von Kaiser Otto I., ein Damenstift, in dem heute das Schlossmuseum untergebracht ist. Es ist derzeit wegen Sanierung geschlossen, aber wir unternehmen dennoch den kleinen Aufstieg, um die Stiftskirche St. Servatii zu besichtigen. Die Kirche, ein Hybrid romanischer und gotischer Elemente, ist eine weitere Station auf der Straße der Romanik quer durch den Harz und beherbergt einen der bedeutendsten mittelalterlichen Kunstschätze in Deutschland: den Quedlinburger Domschatz mit Kostbarkeiten wie dem Servatiusreliqiuar von 870 oder dem Heinrichskamm aus Elfenbein, der im 7. oder 8. Jahrhundert im Nahen Osten entstand. Berühmt ist der Schatz auch für einen der aufsehenerregendsten Beutekunstfälle: Ein US-Leutnant stahl im Zweiten Weltkrieg diverse Stücke und schickte sie per Feldpost in die USA, von wo sie erst 1992 nach langwierigem Vergleich nach Sachsen-Anhalt zurückkehrten.

Heinrichskamm 3 Tage Harz
Der Heinrichskamm aus dem Quedlinburger Domschatz ist aus Elfenbein und stammt aus dem 7. oder 8. Jahrhundert. © Elmar Egner M.A., Quedlinburg

In der Stiftskirche selbst hatten die Nazis zuvor ihr Unwesen getrieben, indem sie sie zur Weihestätte der SS umfunktionierten, einschließlich pseudowissenschaftlicher Suche nach den Gebeinen mittelalterlicher Herrscher. Nach so viel verdichteter Geschichte auf kleinem Raum spazieren wir durch die Stiftsgärten und genießen den Blick auf die Fachwerkidylle der Altstadt, die ebenso wie das Schlossbergareal unter dem Schutz der UNESCO steht.

Gleich um die Ecke am Fuße des Schlossbergs geht es zur Lyonel-Feininger-Galerie. Das noch zu DDR-Zeiten gegründete Museum widmet sich dem Werk des deutsch-amerikanischen Malers und Bauhaus-Meisters und fußt auf der grafischen Sammlung des Architekten Hermann Klumpp, der ein enger Freund des Künstlers war. Zum 150. Geburtstag Feiningers im vergangenen Jahr wurde die Dauerausstellung neu konzipiert. Von hier ist es zu Fuß nur wenige Minuten zum Brauhaus ­Lüdde, wo die Biere so lustige Namen wie Knuttenforz oder Pubarschknall tragen.

Danach schlendern wir am Schlossberg vorbei zum verwunschenen Wipertifriedhof mit seinen überwucherten Gruftbauwerken. Er gehört zur romanischen Kirche St. Wiperti, deren Geschichte bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht. Sie hat wie auch St. Servatii viele Zerstörungen und Profanisie­rungen hinter sich, erst seit den 1950er-Jahren wird sie in den Sommermonaten wieder als Gotteshaus genutzt, dann steht sie auch Besuchern offen.

Rammelsberg 3 Tage Harz
Im ehemaligen Bergwerk Rammelsberg ist ein altes Wasserrad zu bestaunen. Foto: Stefan Schiefer © GOSLAR marketing gmbh

Am Nachmittag geht es über die Autobahn 36, die die Fahrt mit romantischen Ausblicken auf den Nordharz versüßt, zurück nach Goslar, wo wir uns dem zuwenden, was den Harz seit dem Mittelalter groß gemacht hat: dem Erzbergbau. Der Abbau von Kupfer, Silber und Blei hat der Region über Jahrhunderte Reichtum beschert und mit dem künstlichen Seengeflecht der Oberharzer Wasserwirtschaft die Landschaft geprägt. Schon im 10. Jahrhundert wurden in Goslar Silbermünzen geprägt, das Metall machte die Gegend für die mittelalterlichen Könige so attraktiv. Im Süden Goslars lässt sich all dies im ehemaligen Bergwerk Rammelsberg nachvollziehen, es ist UNESCO-Welterbe und lebendige Museumsstätte. Das Oberharzer Bergbaurevier schon früh zum Anziehungspunkt für Montantouristen wurde – ein interessanter Gegensatz zu den heutigen Harzbesuchern, die sich vor allem für die vermeintlich urtümliche Natur begeistern. Im Jahr 1988 verpackte der Künstler Christo die letzte Erzlore, die das Bergwerk verließ. Eine mehr als tausendjährige Geschichte ging zu Ende.

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