Posthum realisiert das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude in Paris sein bisher höchstes Projekt: „L’Arc de Triomphe, Wrapped“ ist ab 18. September für das Publikum zugänglich
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17.09.2021
Bewundernd gleitet der Blick der Betrachter in die Höhe der verfremdeten Form des Pariser Triumphbogens, der entsprechend den exakten Angaben des Verpackungskünstlers Christo nun gegen den Himmel ragt. Mit silbrig-bläulichem Stoff umhüllt, durch rote Seile festgezurrt, ist das titaneske Verpackungswerk „L’Arc de Triomphe, Wrapped“ von Christo and Jeanne-Claude nach siebenwöchigen Arbeiten fertig. Das französische Staatsdenkmal, Inbegriff des Gedenkorts an die 1,4 Millionen französischen Toten des Ersten Weltkriegs und Feierstätte der Staatsfeiertage, beeindruckt als ein zeitlich begrenztes Kunstwerk. Vom 18. September bis 3. Oktober können Tausende Besucher, von den zwölf Prachtstraßen her kommend, zum Hügel des Place Charles de Gaulle gelangen, um zum Triumphbogen hinaufzublicken.
Christo, 1935 in Bulgarien geboren und in den 1960er-Jahren in Paris ansässig, wo er Jeanne-Claude heiratete, die am gleichen Tag wie er im französischen Protektorat Marokko zur Welt kam, plante die Verpackung des Triumphbogens seit 1961. Trotz des Todes des Künstlerpaars – Jeanne-Claude starb im Jahr 2009, Christo im Mai 2020 – gelang es der französischen Kuratorin Laure Martin, gestützt auf Christos Nachlass-Strukturen in den USA, die Verwaltung des Denkmals, die Bürgermeisterin von Paris, die Kulturministerin und Staatspräsident Emmanuel Macron höchstpersönlich von der internationalen Anziehungskraft des Projekts zu überzeugen. Christos Neffe, Wladimir Yavacheff, ein 48-jähriger anglophoner Showmaster, sowie der diskrete Neffe von Jeanne-Claude, Jonathan Henery, bereiteten seit 2017 die Verpackung des Triumphbogens mit Christo zusammen vor.
Die Verpackung des 50 Meter hohen Triumphbogens ist Christos höchstes Projekt, da das Denkmal um 14 Meter höher ist als die Türme des Berliner Reichstags, dessen Verpackung 1995 stattfand. Übrigens damals wie heute mit den gleichen deutschen Firmen: eine konzipierte und installierte die Metallstruktur zum Schutz des Gebäudes, eine andere webte den speziell hergestellten Stoff (der außen silbrig-grau ist und innen blau), eine dritte nähte die enormen Stoffbahnen zusammen, eine vierte fabrizierte die circa drei Zentimeter Durchmesser dicken roten Seile. Insgesamt arbeiten 1200 Menschen am Projekt, dessen Timing perfekt ist: die Gratis- Schaustellung beginnt zu den „Europäischen Tagen des Denkmals“ an diesem Wochenende und dauert bis zur sogenannten „Schlaflosen Nacht“ (Nuit blanche). Wo Kulturereignisse über die ganze Stadt verteilt organisiert werden.
Die sozialistische Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, neuerdings Kandidatin für das Amt des Staatspräsidenten, ermöglicht den Fussgängern an den drei Wochenenden, den immensen Rundplatz ohne Strassenverkehr zu besuchen. Die prompt geäußerte Kritik der Autofahrer biegt Laure Martin elegant mit dem Hinweis ab, dass Christo und Jeanne-Claude immer grossen Wert darauf legten, dass die Betrachter ihrer Werke optimale Bedingungen vorfinden.
Die sozialen Medien zitieren René Magritte surrealistisches Bonmot „Ceci n’est pas un pipe“ für das nun wie ein gleissender Gletscher wirkende Denkmal: „Dies ist kein Triumphbogen“.
Christo and Jeanne-Claude
L’Arc de Triomphe, Wrapped, Paris, 1961-2021
18. September bis 3. Oktober