Das Centre Pompidou in Paris feiert den Maler und Bildhauer Georg Baselitz mit einer großen Retrospektive – begleitet von seiner Ehrung im Institut de France
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02.11.2021
„Ganz Paris ist baselitziert“, witzelte der Sekretär der Académie des Beaux-Arts, der Kunstabteilung des Institut de France, Ende Oktober anlässlich der Aufnahme von Georg Baselitz in die Versammlung der geistigen Elite. Erstmals in der 226-jährigen Geschichte des Institut de France hält ein Deutscher feierlichen Einzug in die „ehrwürdigste kulturelle Institution der Unsterblichen“. So Baselitz in seiner unkonventionellen Ansprache.
Der 83 Jahre alte Maler und Bildhauer und sein cleverer Galerist Thaddaeus Ropac durften auch die neun Meter hohe schwarze Bronzeskulptur „Zero Dom“ auf dem Platz vor dem imposanten Palast mit der Kirchenkuppel des Institut de France aufstellen. Diese außergewöhnlichen Ehrungen gab es parallel zur aktuellen Werkschau des renitenten Künstlers im Centre Pompidou, seiner größten in Frankreich.
Paris ist vielleicht „baselitziert“, steht jedoch noch nicht am Kopf, wie dessen Gemälde seit 1969. Die Umkehrung des Motivs, inzwischen das Markenzeichen des Nonkonformisten, soll nach dem Willen des Malers vom Dargestellten ablenken. Tatsächlich erschwert sie die Rezeption und die Betrachter benötigen Zeit für die visuelle Adaptation.
Rezeptionsprobleme hatte der unbequeme Zeitgenosse seit seinen Anfängen in den 1950er- und 1960er-Jahren. Nach seinem „Rauswurf an der ostdeutschen Kunsthochschule“ (Zitat aus seiner Akademie-Rede) und dem Studium in Westberlin, zeigte sein Freund Michael Werner 1963 in der Galerie Werner & Katz die provokanten, wild-expressiv gemalten Männerdarstellungen mit den hypertrophierten Penissen. Trotz, besser: dank des daraus resultierenden Skandals wurde der Revoluzzer ab diesem Datum wahrgenommen. Beide Gemälde hängen im Centre Pompidou, so wie alle wichtigen Arbeiten der entscheidenden Werketappen, nämlich die Serien der „Helden“, die „Fingermalereien“, die „Frakturbilder“; der ironisch-zynische „Remix“ der russischen beziehungsweise der eigenen Malerei, bis zum berührenden, immer noch konzessionslos-unbarmherzigen Alterswerk. Wie ein Leitfaden durchzieht das Selbstporträt seit sechzig Jahren das Schaffen des Egozentrikers. Dessen Freude an intensiven Farben den Ausstellungsparcours so beglückend gestaltet.
Seine erste Skulptur, 1980 bei der Biennale in Venedig gezeigt, brachte dem Künstler den Durchbruch zum Weltruhm, mit Museums- und Galerieausstellungen rund um den Globus. Und konstant ansteigenden Preisen. Die Galerien Gagosian und Thaddaeus Ropac überbieten einander im Dienste des deutschen Meisters. Gagosian förderte die erste Schau eines lebenden Malers 2019 in der venezianischen „Accademia“. Ropac finanziert die Ausstellung im Centre Pompidou und trägt die Kosten für die Errichtung von „Zero Dom“ vor dem Institut. Zum Dank für die von Ex-Direktor Bernard Blistène verantwortete, chronologisch fulminant kuratierte Retrospektive schenkte der betagte Maler dem Centre Pompidou das schwarz-lila Gemälde seiner Frau Elke im Krankenhausbett „Wagon-lit mit Eisenbett“.
„Baselitz. Eine Retrospektive“
Centre Pompidou, Paris
bis 7. März