Kunstmarkt für Design

Die Designerinnen kommen!

Lange standen bedeutende Gestalterinnen wie Charlotte Perriand oder Ray Eames im Schatten berühmter Männer. Mittlerweile wird die Arbeit von Designerinnen auf dem Kunstmarkt geschätzt, aber der Weg zur gleichberechtigten Wahrnehmung ist noch weit

Von Mayako Forchert
18.12.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 18

Angesichts ihres vielschichtigen Schaffens – schreibt das Vitra Design Museum bezüglich der aktuellen Ausstellung „Here we are! Frauen im Design“ – „wirkt es umso erstaunlicher, dass viele von ihnen in der Vergangenheit kaum wahrgenommen wurden“. An sich unglaublich – aber wahr: Designerinnen sind in der Designgeschichte noch immer unterrepräsentiert. Der lange Weg zur gleichberechtigten Wahrnehmung gestalterischer Leistungen ist im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts noch immer nicht zu Ende gegangen. Zwar sind in den letzten Jahren viele interessante Biografien von Designerinnen publiziert worden – alles individuelle Emanzipationsgeschichten. Zwar haben auch Ereignisse wie das Bauhaus-Jubiläum 2019 einen Beitrag zu einer ganzheitlicheren Sicht auf die Dinge geleistet – und zumindest einzelne Frauen herausgestellt. Doch die längste Zeit waren so bedeutende Designerinnen wie Lilly Reich, Charlotte Perriand, Eileen Gray, Ray Eames oder Andrée Putman nur Frauen an der Seite berühmter Männer – so wollte es die Rezeption. Immerhin sind diese Gestalterinnen mittlerweile im Kunsthandel angekommen – meistens waren Ausstellungen, Publikationen oder Geburtstage der Anlass dafür.

So feierte das Pariser Auktionshaus Artcurial 2017 den 114. Geburtstag von Charlotte Perriand (1903–1999) mit einer kleinen, aber sehr bemerkenswerten Auktion: „Charlotte for ever“. Mit großem finanziellem Erfolg, denn fast alle Objekte wurden mit überdurchschnittlichen Ergebnissen weitergereicht. Stolze 3 Millionen Euro wurden insgesamt erzielt – bei nur 20 Losen! Das Highlight war ein gebogener Schreibtisch „en forme“ aus dem Jahr 1939 mit zwei Aluminiumschubladen, der den Schätzpreis von 300.000 Euro mit einem Zuschlag bei 560.000 Euro fast verdoppeln konnte. Das Möbelstück war eine Auftragsarbeit für Pierre Jeanneret, der zehn Jahre lang Perriands Partner im legendären Gemeinschaftsbüro „Le Corbusier-Jeanneret-Perriand“ gewesen war. Erst zwei Jahre später – 2019, 20 Jahre nach ihrem Tod – richtete die Pariser Fondation Louis Vuitton die erste nennenswerte Perriand-Retrospektive aus. Im Zuge dessen erschienen dann auch einige einschlägige Publikationen, darunter Laure Adlers Biografie mit bislang unveröffentlichten Quellen wie Fotografien und Briefen.

Am größten ist das mittlerweile entstandene Interesse an ihren Werken aus den Dreißiger- bis Fünfzigerjahren in ihrem Heimatland Frankreich, gefolgt von Japan und Nordamerika. In Japan schätzt man Perriand, weil sie dort über viele Jahre gearbeitet und immensen Einfluss auf die Design-Entwicklung des Landes ausgeübt hat. Durch Vorträge und Publikationen wie das 1941 in japanischer Sprache erschienene Buch Auswahl Tradition, Kreation im Kontakt mit der japanischen Kunst mit 53 eigenen Entwurfszeichnungen – eine Rarität. Hierzulande ist das Interesse an Perriands avantgardistischen Objekten noch eher verhalten. Dennoch: Ein schlichtes Wand- und ein Standregal aus einem Studentenwohnheim des Pavillon Suisse der Cité Internationale Universitaire de Paris stiegen am 3. März bei Quittenbaum in München von 8000 auf 11.500 Euro.

Zwei um 1989 entstandene Sessel nach Entwürfen der spätberufenen Andrée Putman erzielten am 30. Juni 2021 bei Quittenbaum 1900 Euro. © Quittenbaum, München
Zwei um 1989 entstandene Sessel nach Entwürfen der spätberufenen Andrée Putman erzielten am 30. Juni 2021 bei Quittenbaum 1900 Euro. © Quittenbaum, München

Zum selben Termin interessierten sich unterschiedliche Sammler und Galerien auch für eine Reihe von Ausstattungsobjekten aus dem Kölner Hotel Wasserturm, die zusammen 24.000 Euro einspielten (Lose 484–505). Schöpferin dieser eleganten Leuchten und Möbel war die zurecht als „Botschafterin des französischen Stils“ bezeichnete Andrée Putman (1925–2013). Zu ihrer eigentlichen Bestimmung, Designerin zu werden, fand sie erst verhältnismäßig spät – mit 53 Jahren. Denn eigentlich sollte die Tochter aus einem großbürgerlichen Haushalt im Pariser Quartier Saint-Germain-des-Prés – als Poulenc-Schülerin, die am Konservatoriums in Paris als Zwanzigjährige die höchste Auszeichnung erhalten hatte – Pianistin werden. Nur ein paar Jahre später wechselte sie gegen damalige Konventionen aber das Resort. Zunächst arbeitete sie als Journalistin – zuletzt als Kolumnistin für Design bei der Elle. Danach übernahm sie die künstlerische Leitung der Kaufhauskette Prisunic, die schon Ende der Fünfzigerjahre mit einem sehr modernen Konzept und dem Slogan „Schöne Dinge müssen nicht mehr als hässliche kosten“ die Welt der Möbel und der Mode demokratisiert hatte. Mit der Gründung ihres eigenen Designbüros Ecart International 1978 hatte Putman ihr Ziel dann erreicht. Sie kam auf die erfolgreiche Idee, die Entwürfe vergessener Designer aus den Dreißigerjahren wieder aufzulegen – avantgardistische Möbel von René Herbst, Jean-Michel Frank, Pierre Chareau, Robert Mallet-Stevens und Eileen Gray, die Putman sehr schätzte und später immer wieder in ihre eigenen Ausstattungsprojekte zu integrieren wusste. In den Achtzigerjahren war nämlich die Inneneinrichtung zu ihrer Hauptdisziplin geworden: von Luxus-Hotels in New York oder Tokio, von zahlreichen Boutiquen namhafter Modedesigner wie Karl Lagerfeld, Azzedine Alaia, Guerlain und Bally.

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