Im Auktionshaus Gailer im bayerischen Breitbrunn kommen Gemälde der Künstlerlandschaft Chiemsee zum Aufruf
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04.01.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 20
Chiemsee-Maler wie Maximilian Haushofer und eine Generation nach ihm Karl Raupp und Josef Wopfner fügten der Münchner Schule des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts einen weiteren wichtigen Umsatzträger für den internationalen Export hinzu. Durch ihren Publikumserfolg zementierten sie allerdings auch die vorherrschende Rezeption einer natur- und traditionsverbundenen Landschaftsschule, die in Auffassung und Themenwahl an einem regional geprägten Idiom festhielt. Tatsächlich öffneten sich auch viele ihrer späteren Vertreter über die allgemein gepflegte Pleinair-Malerei hinaus zeitgenössischen Tendenzen eher zögernd. Darüber werden die fortschrittlichen Bestrebungen von Gruppen wie den „Frauenwörthern“ oder der „Welle“ gern übersehen, die der kommerziellen Ausrichtung die Auseinandersetzung mit Zielsetzungen internationaler Avantgarden entgegensetzten.
Allzu viel Heterogenität mindert aber offenbar die Markttauglichkeit, und nicht selten darf darum bereits der eingetragene Wohnsitz in der Region als Begründung für eine schlüssige Zuordnung herhalten. Bezeichnend ist ein Typoskript, das Gerd Heege noch 1999 dem Maler-Ehepaar Arnold Balwé und Elisabeth Balwé-Staimmer widmete und in bester Absicht mit Erinnerungen an die Chiemseemaler untertitelte. Dass der Gegenstand seiner Betrachtung über diese Bezeichnung vermutlich verstimmt seine „buschigen Augenbrauen“ (Heege) zusammengezogen hätte, weil er unter dieser Etikettierung gerade nicht in Erinnerung bleiben wollte, störte den Autor anscheinend nicht.
Noch bevor Arnold Balwé 1927 in Feldwies ein bäuerliches Anwesen erwarb, wo er sich mit seiner Frau dauerhaft niederließ, hatte er einiges von der Welt gesehen: Nach Kindheitsjahren im südafrikanischen Durban, seiner Gymnasialzeit in Würzburg, einem kurzen Kunststudium in Antwerpen und einem einjährigen Italien-Aufenthalt hatte er seine Ausbildung schließlich an der Münchner Akademie abgeschlossen, wo sein Lehrer Carl Caspar für ihn zum prägenden Vorbild wurde. Auch nach der Umsiedlung nach Feldwies unternahm das Ehepaar weiterhin ausgedehnte Reisen durch ganz Europa, und entsprechend hielten beide ihre Eindrücke auch in ihren Arbeiten fest; Arnold überwiegend in Gemälden, seine Frau in Aquarellen und Gouachen. Insofern stehen sie bereits in der breiten Aufstellung ihrer Themen im Gegensatz zum engen Blickfeld der regionalen Heimatmalerei, der sie oft voreilig zugeordnet werden. Der wiederholte Protest Balwés half bislang wenig: Meist sind es Motive aus seinem Wohnort Feldwies, die auf Auktionen die höchsten Preise erzielen. Sommerliche Ansichten aus dem Gartens seines Wohnhauses brachten auf Auktionen wiederholt 30.000 Euro und mehr.
Mit einer größeren Auswahl von Werken anderer Künstler der Region kommt am 15. Januar in der Sonderauktion zur „Künstlerlandschaft Chiemsee“ bei Gailer im Kunstauktionshaus am Chiemsee, Breitbrunn, als Highlight eine weitere Ansicht von Feldwies zum Aufruf. Im Gegensatz zur gewohnt leuchtenden Farbigkeit seiner Sommerlandschaften begrenzte der Maler in der Komposition „Winternacht“ durch Inszenierung in pointiertem Gegenlicht die Palette auf wenige Schattierungen in Weiß, Blau und Braun. Die Taxe liegt bei 18.000 Euro.
Ein Vierteljahrhundert vor Balwé hatte sich Julius Exter in Feldwies niedergelassen. Da war er immerhin schon knapp 40 und folglich ein ausgereifter Künstler, bevor er sich in der thematisierten „Künstlerlandschaft Chiemsee“ als einer der prominentesten Vertreter der Moderne profilierte. Auf seinem Weg vom Jugendstil und Symbolismus über Impressionismus und Spätimpressionismus zum Expressionismus gelang es ihm, zu universalem Formausdruck zu finden, ohne in der Ikonografie seiner Bilder den Bezug zu seiner Wahlheimat aufzugeben. Heute werden seine Gemälde nur in bescheidenen Stückzahlen auf Auktionen angeboten; ganze zehn waren es in den vergangenen zehn Jahren. Ein weiteres Spitzenlos der Offerte ist sein Landschaftsmotiv „Sommer in Feldwies mit Kampenwand“. Die expressive Farbigkeit der Komposition wird einem alten Kritiker-Lob gerecht, wonach der Maler den Chiemsee „zum Leuchten“ gebracht habe. Erst im vergangenen Oktober hatte das Bild bei Kieselbach, Budapest, 8 Millionen Forint (rund 22.200 Euro) erzielt, doch vor hochspezialisiertem Publikum soll es nun ein wenig mehr bringen: Gerechnet wird, nicht zuletzt wohl auch aufgrund der Ausstellungsprominenz, mit 30.000 Euro.
Weniger an der Chiemsee-Landschaft als vielmehr ihren Bewohnern zeigte sich der oft als „Bauernmaler“ missverstandene Thomas Baumgartner interessiert. Allein ein flüchtiger Blick auf sein Werk offenbart, dass er nicht nur die beliebten Charakterköpfe für den Münchner Kunsthandel produzierte, für die er anonyme Modelle in regionaler Tracht inszenierte, sondern als Porträtist ebenso ein bürgerliches Klientel bediente. Von ihm wird das Genreporträt „Mädchen mit Katze“ angeboten, das im großzügigen Vortrag auf seinen Lehrer Angelo Jank an der Münchner Akademie verweist. Ebenso deutlich ist hier auch der Einfluss niederländischer Vorbilder erkennbar. Die schlichte Komposition zeigt vor lichtgrauem, mit breiten, pastosen Strichen hochgemauertem Hintergrund frontal gegeben das sitzende Kind, das mit dem Betrachter direkten Blickkontakt aufnimmt, während es mit der Rechten das duldsame Kätzchen sicher auf seinem Schoß hält. Angedacht sind dafür 6000 Euro.
Gailer Breitbrunn,
Besichtigung: bis 13. Januar 2022
Auktion: 15. Januar 2022