Am zweiten Tag genießen wir die Naturschönheit von Fischland-Darß-Zingst und begeben uns auf die Spuren der Künstlerkolonie Ahrenshoop
2. Tag
ShareKommt die Turmspitze der Wustrower Kirche ins Bild, bedeutet das Ankunft auf einem Sehnsuchtsflecken. Fischland-Darß-Zingst, so heißt er, ist eine 45 Kilometer lange, leicht gebogene Landzunge. Der hohe Ausguck dankt das Erklimmen mit einem aufregenden Panoramablick über die Lagunenwelt: Der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft schützt Salzwiesen, Priele und Seen bis zum offenen Meer. Bizarre Kiefern markieren den Strand. Kraniche, Säbelschnäbler und Seeadler kommen in Scharen wie auch Künstler und Zivilisationsflüchtlinge.
Und dann Ahrenshoop, ein Dorf wie gemalt. Reetdachhäuser ducken sich zwischen Wiesen und Wegen, von Sturm und Sonne gezeichnete Dünen trumpfen vor Meereswellen auf. Eine inspirierende Landschaft, die Ende des 19. Jahrhunderts bei Leuten, die selten ohne Staffelei und Pinsel ins Freie gingen, in Mode kam. Der malerische Wechsel zwischen Küste, Wald und Dörfern zog sie an, zum Beispiel Paul Müller-Kaempff, der als Initiator der Kolonie gilt. Künstlerinnen wie Elisabeth von Eicken und Anna Gerresheim prägten sie maßgeblich. Gemälde aus der großen Zeit der Künstlerkolonie bis zum Ersten Weltkrieg, aber auch aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommen schon seit Jahrzehnten jeden Sommer bei den Ahrenshooper Kunstauktionen in der Strandhalle zum Aufruf.
Dem kreativen Schaffen von heute widmet sich das Neue Kunsthaus Ahrenshoop mit vier bis sechs Ausstellungen im Jahr. Dabei arbeitet man eng mit dem Künstlerhaus Lukas zusammen, das Stipendien für junge Künstler aus Nordeuropa vergibt. Bis zum 9. November sind in im Neuen Kunsthaus aus dem Meer angespülte Fundstücke zu entdecken.
Ein weiterer kultureller Leuchtturm ist das Kunstmuseum Ahrenshoop. Vor vier Jahren wurde der Neubau aus fünf aneinandergefügten Körpern eröffnet, eine preisgekrönte Konstruktion von Staab Architekten Berlin. Außen ist sie der ortstypischen Bauweise rohrgedeckter Fischerkaten nachempfunden. Hinter den Fassaden aus Baubronze ist die Freilichtmalerei der Künstlerkolonie Ahrenshoop zu bewundern, aber auch ihre Wirkung auf die spätere Moderne – wie Alexej von Jawlensky, George Grosz und Lyonel Feininger belegen. Die Räume konzentrierten sich diesen Sommer auf eine Würdigung der Malerin Elisabeth von Eicken, die in Ahrenshoop lebte und arbeitete. Ob man danach ein Salzwiesenlamm oder lieber am Nachmittag die Friesentorte isst – das Namenlos versteht sich auf beides.
Knallblaue Türen und Wände. Der Kunstkaten im Strandweg ist die erste Galerie im Ort. Schon als sie 1909 gegründet wurde, sollte sie Künstler und Käufer zusammenbringen. Bis 10. Juli sind Werke von Paul Müller-Kaempff, dem Gründer der Künstlerkolonie Ahrenshoop, zu sehen. Am Darßer Ort wendet sich der Landstrich wie ein Bumerang gen Osten. Im Knick wuchern ein urwaldähnlicher Wald und Birkenhaine, wie Elisabeth von Eicken sie gern porträtierte. Nach der Wanderung stärken wir uns im Ginger, dem ehemaligen Haus der Malerin in Ahrenshoop.