Niebüll und Föhr

Wir wandeln auf den Spuren von Emil Nolde und Richard Haiz­mann, erkunden die hochkarätige Kollektion des Museums Kunst der Westküste in Alkersum und erleben den Sonnenuntergang in Utersum

2. Tag

Auf dem nordfriesischen Festland trifft man auf die leuchtende Marschen- und Meereslandschaft, die Emil Nolde so faszinierte: plattes Land ohne große Sensationen, doch ein Himmel mit galoppierenden lilaschwarzen Wolkenmassen und die üppige Blumenpracht in seinem Garten – Feuerrot, Knallgrün und Quietschgelb. Auf der Warft bei Neukirchen baute der Maler im Jahr 1930 sein Wohn- und Atelierhaus. Heute beherbergt es die Nolde Stiftung Seebüll mit mehr als 13.000 Werken, Archiv, Museum und Café.

Emil Nolde Niebüll
Emil Noldes „Helles Meer (Segler und kleiner Dampfer)“ von 1946. © Nolde Stiftung Seebüll

Nolde, der Superstar: Im Bildersaal erlebt der Besucher den Solitär des Nordens. Mit präzisem Schwung und radikalen Farben rauschte sein Pinsel über Papier und Leinwand. Da vergisst man fast den Menschen, der trotz Berufsverbot ein glühender Nationalsozialist, Rassist und Antisemit blieb und an seiner Legende strickte. Nachdem die Stiftung 2013 das Archiv geöffnet und die Ausstellung im Hamburger Bahnhof Nolde endgültig als Maler des Nationalsozialismus entlarvt hatte, kam es zum Sockelsturz eines der Größten der Kunstwelt. Die Malerei bleibt faszinierend, was auch die aktuelle Schau in Seebüll offenbart.

In Niebüll wartet die Begegnung mit einem weiteren Expressionisten: Richard Haiz­mann (1895–1963), ein Künstlerfreund Noldes. Wie dieser war Haizmann als „Entarteter“ verfemt, obwohl er sich unpolitisch verhielt. Im denkmalgeschützten Rathaus ist sein Werk mit allein hundert Plastiken zu betrachten. Jedes Jahr wird eine neue Ausstellung konzipiert.

Nordfriesland Richard Haizmann
Richard Haizmanns „Sternkreiszeichen Schütze“ von 1956 im Richard Haizmann Museum in Niebüll. © Richard Haizmann Museum, Niebüll

Dann Föhr, ein Sehnsuchtsort. Weil die Insel herrliche Sandstrände hat, in Nieblum die Reetdachromantik mit Stockrosen jeden umhaut, das Seeklima mild und gesund ist. Die Fähre legt in Wyk auf Föhr an, dem Hauptort – sachlich, ohne Gedöns und Firlefanz. Noch während der Überfahrt fällt das extrem starke Licht auf, das Freiluftmaler so lieben. Das Meer und die Wetterwechsel einzufangen, dieses besondere Hell, das über Fischerszenen, das Gotinger Steilkliff, den „Friesendom“ St. Johannis oder den Leuchtturm Olhörn strahlt, treibt sie an.

Das zeigt in der Inselmitte die hochkarätige Kollektion des Museums Kunst der Westküste (MKdW) in Alkersum des Stifters Frederik Paulsen, die Kunst der Nordseeanrainer von 1830 bis 1930 umfasst. Grethjens Gasthof, der alte Dorfkrug, wo Landschaftsmaler bereits im 19. Jahrhundert logierten, ist seit 2009 das Tor zum Museum. Das aufregende Ensemble, entworfen vom Architekten Gregor Sunder-Plassmann, gruppiert sich um einen Park. Schlichte weiße Saalkuben wechseln sich mit Glasbauten und Häusern im friesischen Stil ab. Manche denken, das Meer habe sich über die Epochen hinweg kaum verändert. Wie wenig das zutrifft, belegt die Ausstellung „Northbound. Connected by the Sea“, die noch bis zum 19. Juni 2022 zeigt, welche Rolle das Meer für die kulturellen Verbindungen zwischen Nordfriesland, Dänemark, den Niederlanden und Norwegen seit jeher spielt.

Den schönsten Sonnenuntergang erlebt man in Utersum, mit Blick auf die Nachbarinsel Amrum. Danach serviert das nahe Hennigs feine friesische Frischeküche.

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