Mistelbach und Tulln

In Mistelbach besuchen wir das Nitsch Museum, tauchen ein in die Art-brut-Szene und spazieren auf dem Egon-Schiele-Weg 

Eine gute Stunde ist es von Baden zum Nitsch Museum in Mistelbach. Dort wartet das ungewöhnliche Universum des vor kurzem verstorbenen Hermann Nitsch. Der Wiener Universalkünstler, vielleicht kühnster Vertreter des Wiener Aktionismus, beeindruckt in der großen Halle mit den farbenfrohen, vergleichsweise zahmen Bühnenbildern der Bayreuther Walküre, die im Sommer 2021 spektakulär während der Aufführung in Schütttechnik hergestellt wurden; bis zum 4. September 2022 sind sie noch zu bestaunen. In der biografischen Abteilung dagegen ist das drastische Frühwerk der Aktionen zu sehen, bei denen religiöse Symbole wie geschlachtete Lämmer, Kreuze und Gekreuzigte dominieren. Kindern nicht zu empfehlen. Den Bauch des Hauses füllt eine skurrile Sammlung seiner Altäre und Apotheken.

Erst mal eine Pause und verdauen. Im Nachbarort Hobersdorf gibt es eine kulinarische Adresse, die mit authentisch-regionaler Küche besticht: die Gastwirtschaft Neunläuf.

Weiter geht es in die Donauauen zum Hotspot der Art-brut-Szene: das Art Brut Center aus Museum, Galerie und Haus der Künstler. Die Außenseiterkunst, die oft von Menschen in der Psychiatrie entsteht, wird am Gugginger Hügel seit den 1980er-Jahren präsentiert. Zu den bedeutendsten Positionen gehören etwa Johann Garber, Oswald Tschirtner oder Laila Bachtiar, deren Werke die unverbildete Formensprache jenseits des Mainstreams schön demonstrieren. Sie sind auch in der aktuellen Ausstellung „gugging.! classic & contemporary“ vertreten, die einen umfassenden Eindruck der Gugginger Kunst aus fünf Jahrzehnten verschafft.

August Walla Drei Tage in Niederösterreich
August Wallas „Seutts oder Teich“ von 1990 gehört zur Sammlung des Art Brut Center Gugging. © Art Brut KG

In Tulln freuen wir uns auf die Begegnung mit Egon Schiele. Der Star der Wiener Moderne verbrachte in seiner Geburtsstadt ein Drittel seines kurzen Lebens. Der 3,6 Kilometer lange Egon-Schiele-Weg führt den Besucher zu den wichtigsten Stationen des Expressionisten. Er beginnt mit dem Geburtshaus, dem alten Bahnhof, wo der Vater Bahnhofsvorsteher war. In der geistigen Enge der 120 Quadratmeter großen Wohnung wuchs der junge Schiele im Korsett von Tabus und Prüderie auf, von dem er sich bald befreite. Früh nahm er seine Schwestern als Modelle, thematisiert die Triebhaftigkeit des Menschen. Man lernt Schiele als coolen Typen, fast als Popstar kennen, dessen Nackte heute zu den weltweit teuersten gehören.

Das Egon Schiele Museum ist im ehemaligen Stadtgefängnis untergebracht. Die kleine „Schatzkammer“ im Erdgeschoss zeigt den frühen Schiele wie die „Sonnenblumen“ oder die „Boote im Hafen von Triest“, die auch in der Ausstellung „Werke der Landessammlungen Niederösterreich“ bis 6. November gezeigt werden. Im ersten Stock lässt sich seine Tullner Zeit an sechs biografischen Hörstationen anhand von Interviews aus den 1960er-Jahren rekonstruieren. Die seltenen Tondokumente zeichnete die texanische Kunsthistorikerin Alessandra Comini mit den Schiele-Schwestern Gerti und Melanie sowie der Schwägerin Adele auf. Die drei Frauen sind die wichtigsten Quellen, um Schiele als Mensch zu verstehen.

Alles am Floh in Langenlebarn, einem Nachbardorf, verspricht einen entspannten kulinarischen Abend. Josef Floh und sein Team sind ein Vorbild der Wirtshauskultur. Bodenständig, aber mit drei Hauben.

Weiter zum 3. Tag.

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