Am ersten Tag starten wir unsere Tour im Dortmunder U und radeln entlang des Emscherkunstwegs bis zum Castrop-Rauxeler Auenland
1. Tag
ShareDie Radstation am Dortmunder Hauptbahnhof ist ein grauer Kasten mit freundlichen Menschen, die reparieren und verleihen. Wer die Tour nicht mit dem eigenen Rad fahren will, ist hier goldrichtig. Der erste Streckenabschnitt dauert mit Abschließen gerade mal fünf Minuten, denn das Dortmunder U liegt in Sichtweite. Die Brauereiwirtschaft gehört zu den wenigen Industriezweigen, die sich im Ruhrgebiet gehalten haben, doch in dem Hochhaus aus den 1920er-Jahren mit dem Buchstaben auf dem Dach werden schon lange keine Fässer mehr gelagert. Es beherbergt heute unter anderem das Museum Ostwall, das eine sehr gute Fluxus-Sammlung hat und uns mit einer Sonderausstellung zu Blumen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts auf das Naturerlebnis der kommenden Tage einstimmt. Auch das nächste Etappenstück endet schnell, gut einen Kilometer westlich, hier hat Samuel Treindl aus einer kaputten Leuchtreklame ein Kunstwerk geschaffen. Wo vorher nur ein Ö und ein L verblieben waren, prangt nun das Wort Vögel an einer heruntergekommenen Hauswand und bildet vor dem blauen Himmel einen lustigen Dialog mit der Gegend, in der es vor allem alte Werkstätten, Hinterhöfe mit Plastikstühlen und Kulturvereine gibt.
Die Leuchtschrift ist unsere erste Station des Emscherkunstwegs, auch wenn der kleine Fluss hier gefühlt noch weit weg ist. Die Skulpturenroute entstand 2010, als das Ruhrgebiet Europäische Kulturhauptstadt war, und wurde sukzessive erweitert. Mehr als 20 Kunstinstallationen umfasst sie mittlerweile zwischen Dortmund und Duisburg und führt von der Quelle der Emscher bis zur Mündung in den Rhein.
Von der Vogelleuchte radeln wir nun nordwestlich durch ein Gewerbegebiet, hier franst die Stadt Dortmund schon etwas aus. Auf einer Brücke sehen wir sie endlich: die Emscher. Schmal und etwas eingeklemmt, aber überraschend malerisch. Die schändlichen Tage als Abwasserkanal scheinen in weite Ferne gerückt, denn hier ist das große Projekt der Renaturierung des Flusses weit fortgeschritten. Es geht noch einmal um die Ecke, dann stehen wir vor einer steinernen Höhle in Schlumpfmützenform. Außen grau und eher unscheinbar, doch nach dem Eingangsloch wartet ein goldener Raum, der trotz der unvermeidlichen Graffiti-Tags an Kunst im öffentlichen Raum seinen Effekt nicht verfehlt. Die Attraktion ist der Sound, wer hier die Stimme erhebt, findet tiefen, dunklen Widerhall. Zur kleinen Weile heißt das Werk, von dem aus wir die Straße kreuzen und uns unter dem Zubringer zur Autobahn wiederfinden. Es ist stiller als vermutet an diesem für das Ruhrgebiet so typischen urbanen Nichtort, wo Skater einen coolen Parcours angelegt haben. Wir stellen unser Rad ab und gehen ein paar Schritte weiter in ein Wäldchen. Dort haben die Berliner Landschaftsarchitekten Atelier le balto hölzerne Stege verlegt. Obdachlose hinterließen hier ein paar Spuren, auf einem zerknüllten T-Shirt liegt schon seit Langem Laub, dennoch wird die Kunstpause ihrem Namen gerecht. Wir machen eine solche und genießen das luftige Grün.
Zurück auf dem Rad, kommen wir richtig in Fahrt. Gute zehn Kilometer, die meiste Zeit am Fluss entlang, sind es bis zum Hof Emscher-Auen. Ohne es besonders zu merken, überschreiten wir eine Stadtgrenze, wir befinden uns jetzt in Castrop-Rauxel, ein eher ungewöhnliches Ausflugsziel. In dem sanierten Hof ist am Wochenende ein Café geöffnet, auf dem Gelände gibt es zwei Kunstinstallationen. Massimo Bartolinis Black Circle Square, inspiriert von Kasimir Malewitschs „Schwarzem Kreis“, und das Parkhotel Inside-Outsite von Andreas Strauss: drei einstige Kanalröhren mit Guckloch zum Übernachten samt gelber Vogelbeobachtungsstation, in der mit Blick über das Castrop-Rauxeler Auenland unser erster Tag leise endet.