Vom Rhein-Herne-Kanal geht es über Irena Haiduks Kunstprojekt in Gelsenkirchen bis zum UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein
2. Tag
ShareHeute starten wir früh und überwinden mit Schwung die gut zehn Kilometer zum Herner Meer, wo sich der Rhein-Herne-Kanal, der große Bruder der Emscher, zu einer weiten Fläche verbreitert. In deren Mitte steht ein hoher gelber Turm, der aussieht, als hätte der Künstler Bogomir Ecker löchrige Eimer übereinandergestapelt. Nachts wird das Werk von einer Straßenlaterne beleuchtet, die ebenfalls im Wasser steht. Den Kanal entlang geht es weiter zur ehemaligen Kläranlage Herne. Dort erinnert ein großes Mosaik von Silke Wagner an die Bergarbeiterproteste in der Region seit dem späten 19. Jahrhundert.
Danach weichen wir von der Route des Emscherkunstwegs ab und radeln durch den hübschen Landschaftspark Emscherbruch zur weniger hübschen Cranger Straße in Gelsenkirchen-Erle. Umgeben von Straßenbahnschienen, Imbissbuden, Woolworth und dem einen oder anderen Fachgeschäft steht die aufgegebene Kirche St. Bonifatius, die seit Juni dieses Jahres von der Künstlerin Irena Haiduk genutzt wird. Die partizipative Arbeit Healing Complex spielt mit der ungewöhnlichen polygonalen Architektur aus den 1960er-Jahren, zentraler Bezugspunkt der Installation ist ein großer Backofen. In Workshops mit der lokalen Bevölkerung, aber auch mit Studierenden der Columbia University in New York, an der Haiduk lehrt, wird gemeinsam gebacken, und man schmiedet Pläne zur Zukunft des Gebäudes.
Nach einer Kaffee-und-Kuchen-Pause gleich nebenan auf der Terrasse der Bäckerei Zipper, die vor der Kunstaktion die Kirche als Lagerraum nutzte, geht es rund fünf Kilometer in Richtung Südwesten. Auf einem grünen Streifen zwischen Kanal und Emscher, die hier noch schnurgerade in einem Betonbett verläuft, steht Olaf Nicolais und Douglas Gordons Fake-Felsen Monument for a Forgotten Future aus Spritzbeton, aus dessen Innerem in Dauerschleife Musik der schottischen Band Mogwai erklingt.
Unser nächstes Ziel ist ebenfalls ein Monument, und zwar eines von enormen Ausmaßen. Um dort hinzugelangen, radeln wir am Nordsternpark in Gelsenkirchen vorbei, der rund um eine frühere gleichnamige Zeche entstanden ist, passieren auf ehemaligen Bahntrassen die Essener Stadtgrenze und kommen zur Zeche Zollverein, UNESCO-Welterbe und ein imposantes Denkmal des Steinkohlebergbaus. Hier sind nicht nur die Bauten der Industriekultur sehenswert, sondern auch mehrere Museen, darunter ein von Norman Foster gestaltetes Designmuseum im Kesselhaus, auch die Folkwang-Hochschule residiert an diesem Ort.
Die Stadt Essen bemüht sich seit Längerem, Zollverein als Standort für das künftige Deutsche Fotoinstitut durchzusetzen, deshalb sind dort regelmäßig hochkarätige Fotoausstellungen zu sehen. Eine davon, die perfekt zu unserer Tour passt, ist Beyond Emscher. Die Schau präsentiert noch bis zum 6. November in der Mischanlage fünfhundert Aufnahmen aus der Emscherregion. Die Bilder aus den Jahren 2015 bis 2022 dokumentieren den Umbau des einst als „Köttelbecke“ verschrienen Abwasserkanals zu einem lebendigen Naturraum und würdigen die Anstrengungen der Menschen des nördlichen und traditionell besonders armen Ruhrgebiets, dem Strukturwandel Herr zu werden. Den Abend lassen wir im Restaurant Casino zwischen Betonpfeilern und Kompressorkessel ausklingen, bevor wir im Hotel friends auf dem Gelände die Radlerwaden ausstrecken.