Bild des Tages

Als die Atomkraft gefeiert wurde

Das Brüsseler Atomium galt einst als Symbol für die friedliche Nutzung der Kernenergie – und stand für das Versprechen einer sorgenfreien, energiesicheren Zukunft

Von Simone Sondermann
18.10.2022

Es war die erste Weltausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg, und der Publikumsandrang war überwältigend. Am Ende strömten 41 Millionen Menschen nach Brüssel, um sich unter anderem das Wahrzeichen der Schau, das 110 Meter hohe Atomium, anzuschauen. Die futuristische Konstruktion aus neun hohlen Kugeln ist eine zig-milliardenfache Vergrößerung der Elementarstruktur des Eisens. Doch vor allem war und ist sie ein Symbol für das Atomzeitalter und die friedliche Nutzung der Kernenergie, die damals, 1958, noch als echtes Zukunftsversprechen galt. Dennoch gab es auch damals schon Proteste. Am Tag der Eröffnung der Brüsseler Expo, dem 17. April, demonstrierten in Hamburg 150.000 Menschen. Der Protest richtete sich allerdings vor allem gegen die nukleare Aufrüstung der Bundeswehr, die in den Fifties noch brandneue Stromerzeugung via Kernspaltung hingegen galt für die meisten als große technologische Errungenschaft der Menschheit. Unter dem Brüsseler Atomium befand sich gar ein kleiner Reaktor als Anschauungsobjekt für die begeisterte Menge, in dem sich etwa die blau leuchtende Tscherenkow-Strahlung im Kühlwasser beobachten ließ. Der Enthusiasmus rund um die Atomkraftwerke hat vor allen hierzulande bekanntlich deutlich nachgelassen. Es bedurfte eines Machtworts des Kanzlers, um wenigstens drei der verbliebenden Anlagen über den von Energieunsicherheit überschatteten Winter hinweg am Netz zu lassen. Die Klimaaktivistin Greta Thunberg sieht die Sache übrigens völlig anders: Für sie ist die Atomenergie im Vergleich zu den Kohlekraftwerken das kleinere Übel. Und somit Teil der Lösung einer der größten Menschheitsfragen: der Frage, wie sich die Erderwärmung aufhalten lässt.

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