Was gibt es im Jahr 2023 zu sehen? Dies sind die Kunstausstellungen, auf die wir uns besonders freuen. Teil 3: Juli bis September
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02.01.2023
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 208
Das Siegel „Made in Germany“ muss den spanischen König Carlos III. überzeugt haben. Denn zum Leiter der Madrider Hoftischlerei ernannte er den deutschstämmigen Ebenisten Joseph Cnops. Der änderte kurzerhand seinen Namen in José Canops und brachte in herrlichen Rokokomöbeln, verziert mit exotischen Blumen, die spanischen Weltmachtträume noch einmal zum Blühen. Nachdem es 2021 ein prachtvolles Schreibmöbel angekauft hat, würdigt das Berliner Kunstgewerbemuseum vom 7.7. bis 5.11. Canops’ noch wenig bekanntes Schaffen. (Anm. der Redaktion: Die Ausstellung ist auf den 12.10.2023 bis 11.2.2024 verschoben.)
Oft dient das Kunsthandwerk den Mächtigen, doch manchmal ist es auch eine Form des Widerstands: Die Kunstgalerie Kettle’s Yard in Cambridge, die zur dortigen Universität gehört, zeigt vom 8.7. bis 29.10. die Schau „Material Power: Palestinian Embroidery“ mit bestickten Gewänden, die im 20. Jahrhundert in palästinensischen Gebieten entstanden sind. Und Gegenwartskünstler spinnen dazu den politischen Faden weiter.
Rein sich selbst genügte am Anfang die Malerei der Impressionisten: Das Potsdamer Museum Barberini zeigt vom 8.7. bis 22.10. mit Wolken und Licht. Impressionismus in Holland das hingetupfte Naturschauspiel – beispielsweise in Frühwerken von van Gogh oder Mondrian.
Meerschweinchen, Papierfetzen oder Wodkaflaschen – der Maler Cornelius Völker gönnt den unwahrscheinlichsten Motiven seine volle Aufmerksamkeit. Dienen sie doch dem eigentlichen Anliegen: der Untersuchung, was Malerei heute leisten kann. Im Kunstpalast in Düsseldorf lässt sich diese Frage vom 31.8. bis 7.1.2024 ganz herrlich an gemalten Lichtreflexen auf Einweckgläsern erörtern.
Die stimmungsmäßige Antithese ist Käthe Kollwitz, aber sie zeichnete ihre gebeugten Gestalten wie die „Pflüger“ (1907) eben auch in einer sehr harten Zeit. Das Kunsthaus Zürich zeigt sie in der Schau „Käthe Kollwitz/Mona Hatoum“ vom 18.8. bis 12.11. im Dialog mit einer Künstlerin, deren Werke oft eine Verletzungsgefahr in sich tragen.
Der Videokünstler Clemens von Wedemeyer ist so ein „Meta“-Denker, dass er keinen Film ohne Diskurs über die Macht der Institutionen dreht. Was er vom 25.8. bis 28.1.2024 mit der Sammlung des Kunstmuseums Liechtenstein anstellt, wird zweifellos sehenswert. (Anm. der Redaktion: Die Ausstellung eröffnet eine Woche später, am 1.9.2023.)
Nan Goldin hat ein großes Herz. In ihren Fotografien hat sie uns intime Einblicke in ihre Liebe, ihr Leid, ihr Leben gewährt. So wissen wir, in welchen Bars sie früher zechte und dass bei ihr selbst blaue Flecken eine Herzform annehmen. Das Stedelijk Museum in Amsterdam konzentriert sich von September bis Januar 2024 in der Retrospektive „Nan Goldin: This will not end well“ erstmals auf Diaprojektionen ihrer Fotos. Trotz des Titels drückt man der New Yorkerin die Daumen für ein Happy End! (Anm. der Redaktion: Die Ausstellungseröffnung ist auf den 7.10.2023 verschoben worden.)
Menschen kommen in der Kunst von Ed Ruscha meist nur in Form ihrer Spuren vor. Das Museum of Modern Art in New York illustriert dies vom 10.9. bis 13.1.2024 mit der bisher größten Schau des Kaliforniers, die mit 250 Werken sechseinhalb Schaffensdekaden abbildet. So bewundert man wieder seine monumentalen Tankstellenmalereien und witzigen Einwortbilder („Hey“, „Oof“) oder freut sich über die Originalität seiner Konzeptfotoserien von Parkplätzen und Swimmingpools. Ruscha bleibt der coolste Werbestratege des Humanismus.
In der Literatur wurde sie mit Werken von Gabriel García Márquez oder Salman Rushdie gefeiert, für die Kunst und die Architektur ist sie immer noch ein Igitt-Wort: Zur Ehrenrettung der Postmoderne über alle Disziplingrenzen hinweg tritt das Kuratorenteam Eva Kraus und Kolja Reichert der Bonner Bundeskunsthalle vom 29.9. bis 28.1.2024 an. Wir sind gespannt!
Hier geht’s zu Teil 1 und Teil 2 der Ausstellungsvorschau 2023.