Bild des Tages

Georg Baselitz wird 85

Eine gewisse Widerborstigkeit ist ebenso sein Markenzeichen wie Motive auf dem Kopf: Mit beidem wurde Georg Baselitz zu einem der wichtigsten Maler der Gegenwart

Von Christiane Meixner
23.01.2023

Das Renitente gehört zu Georg Baselitz ebenso wie der Kopfstand seiner Motive – und das Image des Sturen, Widerborstigen ist ihm seit seinem Rauswurf aus der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo ihm die DDR 1957 Unreife mit Blick auf ihre gesellschaftspolitischen Erwartungen attestierte, nicht schlecht bekommen.

Baselitz, der heute seinen 85. Geburtstag feiert und einer der wichtigsten Künstler der Gegenwart geworden ist, wechselte damals zum Studium nach West-Berlin und hatte wieder ein Problem: Seine figürlichen Bilder passten nicht in die Zeit, der die Abstraktion über alles ging. Dass er dennoch nicht abtrünnig wurde und seine Motive umdrehte, um das Irritierende im Vertrauten sichtbar zu machen, passt erneut zu seiner Widerborstigkeit. Beides ist zum Markenzeichen eines Künstlers geworden, der bis heute gern provoziert; als langjähriger Schlossbesitzer, vehementer Kritiker des Kulturgutschutzgesetzes – wegen dem er 2015 publikumswirksam seine Leihgaben aus deutschen Museen abzog – und misogyner Verfechter der Behauptung, Malerinnen fehle es an körperlicher Kraft und Leidenschaft. Frauken könnten nicht malen, dieser mehrfach geäußerte Satz von Baselitz klebt an ihm und verwandelt seinen über Jahrzehnte kultivierten Eigensinn in altersstarren Chauvinismus.

Vor Ärger könnte man manchmal sogar die Qualitäten des Werkes vergessen. Dabei ist es von einer Kraft und Tiefe, die sich nicht zuletzt dem Beharren auf Figuration verdankt. Die verdrehten Gestalten jenseits berühmter Gemälde wie „Die große Nacht im Eimer“ (1963) oder der „Heldenbilder“, die er 1965 während eines Stipendiums in der Villa Romana in Florenz beginnt, sind allein schon wegen ihres Kopfstands entwurzelt. Sie verkörpern existenzielle Unsicherheit, sind haltlos und fragen ebenso zweifelnd wie drängend nach ihrem Stand in der Welt.

Damit artikuliert Georg Baselitz auf großartige Weise seine Sinnsuche, und wenigen Künstlern gelingt es ähnlich genial und spielerisch, ihr eigenes Repertoire einer Revision zu unterziehen, wie es ab 2006 in den „Remix“-Gemälden stattgefunden hat: dieselben Gestalten wie zuvor, aber mit einer schwebenden, manchmal geisterhaften Leichtigkeit, die sie auch farblich an die Grenze zur Transparenz bringt. Fast scheinen sie im Verschwinden begriffen wie das Duo auf dem Gemälde „Displaced Persons“ (2020), das ab März in der Baselitz-Ausstellung „Nackte Meister“ im Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen ist. Verschwinden? Das kann man sich bei Baselitz nicht vorstellen, dazu ist er einfach zu widerspenstig.

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