Auktionshaus am Grunewald

„Ich möchte weniger elitär sein“

Die Kunsthistorikerin Lena Winter hat in Berlin das neue Auktionshaus am Grunewald gegründet, das vor allem auf junge Sammlerinnen und Sammler zielt. Wir sprachen mit ihr über Nahbarkeit und das Verhältnis von Wert und Preis

Von Lisa Zeitz
24.01.2023

Welche Erfahrungen, die Sie in den vergangenen Jahren bei prominenten deutschen Kunstmarktadressen gesammelt haben, sind für Ihren Neustart besonders wichtig?

Bei Grisebach in Berlin, wo ich für neun Jahre war, habe ich mein Handwerkszeug gelernt: Kunst ganz präzise anzuschauen, katalogisieren, vom Ausmessen bis zum Recherchieren und zur Erforschung eines Künstler-Oeuvres. Das ist eine ganz eigene Kultur. Dort war ich zuerst in der Abteilung Third Floor tätig, wo Kunst bis zu Schätzungen von 3000 Euro versteigert wird. In dieser Abteilung kann man Schätze heben, das ist etwas sehr besonders, es ist ein Feld  „für Kenner und Einsteiger” hat Niklas Maak einmal so schön geschrieben. Als ich dann in die Abteilung für zeitgenössische Kunst wechselte, bin ich noch stärker in den Markt eingetaucht, um die gefragtesten Kunstwerke zu akquirieren. Nach Grisebach bin ich bei Ketterer in München eingestiegen, dort ging es noch aggressiver um die die Akquise. Beide Häuser sind mit dem Expressionismus groß geworden, jetzt hat Ketterer die Wahnsinnssammlung Gerlinger und Grisebach hatte diesen Wahnsinns-Beckmann. Contemporary Art ist im deutschen Auktionsgeschäft immer noch nicht so etabliert wie in den großen Häusern in New York und London. Als ich anfing, hieß es noch, man dürfe nichts verkaufen, was jünger als zehn Jahre alt sei, das ist natürlich heute anders. Das Geschäft mit ganz junger Kunst, den Primary Market, habe ich in der Galerie von Johann König intensiv kennengelernt, wo ich die Misa, die Messe in Sankt Agnes, aufgebaut habe. Es war interessant zu sehen, dass die Kundschaft dort sich so gut wie gar nicht mit den Auktionskunden überschnitten hat.

Jetzt bilden Sie zusammen mit Sebastian Greber die Doppelspitze des 2021 gegründeten Auktionshauses am Grunewald. Zum Gallery Weekend Ende April planen Sie die erste Auktion am neuen Standort. Was wollen Sie anders machen?

Wir haben flexiblere Strukturen. Ich stelle mir vor, dass wir innerhalb von zwei Wochen eine ganze Auktion aus dem Boden stampfen können. Das ist ziemlich einzigartig für die Branche. Ich möchte auch weniger elitär sein. Nahbarkeit ist zwar ein Modewort, aber ich hätte so gerne, dass sich jeder traut zu kommen, dass alle denken: Da kann ich mir Kunst angucken. Ich komme von der Misa, ich möchte Kunst aus der Zeit ab 1945 mit sehr junger Kunst kombinieren. Häufig schärft der Blick in die Vergangenheit den Blick auf die Gegenwart.

Wie kann man junge Leute zum Sammeln bringen?

Durch Storytelling. Erklären, was man da sieht. Ein altes Beispiel: Max Liebermann war einer der wichtigsten Führungspersönlichkeiten in der deutschen Kunstszene. Wenn ein Druck von ihm für 600 Euro in einem Start-up-Chefbüro hängt, ist das ein tolles Vorbild. Coole Menschen gab es schon immer. Dorothea Tanning! Was für eine tolle Frau! Gute Leute muss man nicht nur in der Gegenwart suchen. Dadurch dass ich mit so einem hehren Kunstbegriff aufgewachsen bin – mein Vater ist Künstler –, fällt es mir auch nicht so schwer, ihn zu brechen.

Welche Kunst lässt sich am leichtesten verkaufen?

Es geht um Motiv und Farbe. Ich komme zu den kultiviertesten Leuten nach Hause und sage: Super Bild, was war für sie das Kriterium? Und sie sagen: die Farbe.

Welche Kunst lässt sich am schwersten verkaufen?

Performance lässt sich schwer verkaufen, verderbliche Materialien … wenn ich an Dieter Roth denke – da muss man dann halt sagen: „Da war mal ein Joghurt.“ (lacht) Da braucht man mehr Vorstellungskraft. 

Wenn alles möglich wäre, was würden Sie am liebsten versteigern?

Eine Plexiglasskulptur von Isa Genzken aus den Nullerjahren. Die muss richtig teuer werden. Sie ist der größte Star, den wir in Deutschland haben, finde ich. Die begabteste Künstlerin Deutschlands, und die Preise entsprechen ihrer Qualität überhaupt nicht … der Kunstmarkt ist nicht gerecht. Wert und Preis sind nicht dasselbe. Isa Genzken ist für mich die Allergrößte. Etwas von ihr würde ich gerne für vier Millionen Euro versteigern.

In fast allen Auktionskatalogen stammen die meisten Lose von männlichen Künstlern. Haben Sie vor, dieses Ungleichgewicht anzugehen?

Cecilia Alemani hat auf der Biennale in Venedig mit ihrer Ausstellung „Milk of Dreams” – ohne darüber ein Wort zu verlieren – lauter Frauen ausgestellt. Ich habe über Weihnachten die alten Documenta-Kataloge durchgeschaut und lauter Künstlerinnen gesehen, die toll sind und noch gar keinen Markt haben, und mit ihnen möchte ich jetzt einfach mal anfangen. Ich versuchen, ihnen auf die Spur zu kommen.

Bei der ersten Auktion am 30. April können wir dann schon einige von ihnen am Hohenzollerndamm entdecken?

Ich hoffe es! Wir werden Zeichnungen, Grafiken, kleine Gemälde anbieten, Multiples, auch ein kleiner Kürbis von Yayoi Kusama wird dabei sein. Künstlerinnen, meldet Euch!

Service

Auktionshaus

Auktionshaus am Grunewald,

Droysenstraße 13, 10629 Berlin

aagrunewald.de

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