Auktionsmarkt für Moderne & Zeitgenossen

Der Kunstmarkt blickt nach Seoul

2022 war ein Jahr der Rekorde. Doch was die Zukunft bringt, ist ungewiss. Denn derzeit ändern sich die Parameter

Von Sebastian Strenger
13.03.2023
/ Erschienen in Kunst und Auktionen 02/23

Dank gelungener Akquisitionen im Spitzensegment konnten die großen Auktionshäuser im Jahr 2022 Maximalumsätze erzielen. Aber auch den mittleren und kleineren Versteigerern sowie dem Kunsthandel gelang es trotz düsterer Wirtschaftsprognosen zumeist, stabile Ergebnisse zu erzielen. Denn Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts war in diesen Zeiten geopolitischer Verwerfungen als Investitionsgut allgemein gefragt, zumal eine Turboinflation erwartet wird. Insgesamt konnten die größten Erfolge mit Blue-Chips und Brands verbucht werden, wobei auch das spekulative Art-Flipping mit Newcomern gut funktioniert hat.

Mit 8,4 Milliarden Dollar Umsatz bei einem Plus zum Vorjahr von 17 Prozent erzielte Christie’s 2022 das höchste Jahresergebnis in der Geschichte des Kunstmarkts. Der Anteil moderner und zeitgenössischer Kunst lag laut Artnet bei 5,4 Milliarden. Mit der spektakulären Offerte der Kollektion des Microsoft Gründers Paul G. Allen konnte das Auktionshaus zudem im Sektor privater Sammlungen eine neue Bestmarke setzen. Innerhalb dieses White Glove Sales, der 1,62 Milliarden Dollar einspielte, konnten alleine fünf Werke für je mehr als 100 Millionen Dollar verkauft werden.

Daneben gelangen Christie’s auch noch andere bedeutende Akquisen: etwa die Sammlungen Ammann (359,2 Millionen Dollar), Bass (363,1 Millionen Dollar) sowie Hubert de Givenchy (118,1 Millionen Euro). Die letztgenannte Kollektion, die in Paris zum Aufruf kam, wurde zur teuersten Sammlung des Jahres in Europa. Und Andy Warhols Siebdruck „Shot Sage Blue Marilyn“ aus der Sammlung von Thomas und Doris Ammann avancierte am 9. Mai 2022 mit dem Hammerpreis von 170 Millionen Dollar zum zweitteuersten versteigerten Kunstwerk überhaupt.

De Romana de la Salle Tamara de Lempicka Sotheby's
Das 1928 entstandene Porträt „De Romana de la Salle“ von Tamara de Lempicka wurde bei Sotheby's in New York mit 12 Millionen Dollar zugeschlagen. © Sotheby's, New York/ VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Bemerkenswert war auch die Londoner Frühjahrs-Auktion von Christie’s, in der das restituierte Gemälde „Die Füchse“ von Franz Marc 37 Millionen Pfund erzielte und damit den bisherigen Auktionsrekord des Künstlers verdreifachte. Das Haus erzielte seine Spitzenwerte auch dank eines 35-prozentigen Anteils an Neukunden, die sich zu einem Drittel als Millennials erwiesen. Auch die Direktverkäufe blieben auf hohem Niveau und überschritten mit 1,2 Milliarden Dollar Umsatz um knapp 20 Prozent den Vorjahreswert.

Mit einem Gesamtumsatz von 8 Milliarden Dollar landete Sotheby’s hinter dem Marktführer auf Platz 2, wobei der Bereich Moderne und Zeitgenossen laut Artnet 3,6 Milliarden Euro ausmachte. Online-Verkäufe in Höhe von 580 Millionen Dollar und Private Sales im Wert von 1,1 Milliarden trugen zu diesem Ergebnis bei. Entscheidend war auch hier ein 40-prozentiger Anteil an Neukunden, der überwiegende Teil weniger als 40 Jahre alt – viele davon aus Staaten des asiatisch-pazifischen Raums (APAC).

Phillips, das bei den Zeitgenossen 14 Prozent des internationalen Auktionsmarkts umsetzte, landete hinter den beiden Riesen auf Platz 3. Von diesen global Playern wird es letztlich abhängen, wer in diesem aktuell recht undurchsichtigen Markt für Gegenwartskunst am Ende die Gewinner und Verlierer sein werden.

Max Beckmann Selbstbildnis gelb-rosa
Max Beckmanns Gemälde „Selbstbildnis gelb-rosa“ von 1943 erzielte Anfang Dezember 20 Millionen Euro bei Grisebach. © Grisebach, Berlin

2022 erzielten viele expressionistische Werke Spitzenpreise. In Deutschland wurde der Sektor vor allem durch die Auktionshäuser Ketterer in München und Grisebach in Berlin bedient. Bei Ketterer war das Highlight die riesige, in sieben Jahrzehnten aufgebaute Sammlung des Würzburger Unternehmers Hermann Gerlinger, die in zwei Tranchen im Juni und im Dezember 2022 unter den Hammer kam. Vor allem die Meisterwerke der „Brücke“-Maler führten hier zu zahlreichen Anfragen internationaler Museen und Sammler – und zu vielen Spitzenpreisen. Für Ernst Ludwig Kirchners „Das blaue Mädchen in der Sonne“ von 1910 konnte die Schätzung mit dem Zuschlag bei 4 Millionen Euro verdoppelt werden, seine Holzskulptur „Hockende“ aus demselben Jahr verfünffachte mit 3,6 Millionen Euro ihre Schätzung. Mit einem Jahresgesamtumsatz von rund 90 Millionen Euro katapultierte sich das Haus am Ende weltweit auf Rang 7. Bei Grisebach, das mit einem Gesamtumsatz von knapp 68 Millionen Euro auf Platz 14 landete, sorgte vor allem der Verkauf des Gemäldes „Selbstbildnis gelb-rosa“ aus dem Jahr 1943 von Max Beckmann für Schlagzeilen, das Anfang Dezember für 20 Millionen Euro an den Unternehmer und Kunstsammler Reinhold Würth ging.

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