Galerist Judy Lybke

„Ich war bereit, den Helden zu geben“

Es begann in der DDR. Seit 40 Jahren begleitet Galerist Harry „Judy“ Lybke Künstlerinnen und Künstler auf ihrem Weg. Sein bekanntester Zögling: Neo Rauch

Von Weltkunst News
11.04.2023

Die Welten, in denen Galerist Gerd Harry Lybke lebt, stehen seit Jahrzehnten nicht mehr still. „Ich muss meinen Kalender rausholen, um zu wissen, wo ich vor ein paar Stunden noch war“, schildert der Leipziger, der unter anderem die Werke von Neo Rauch vermarktet, der Deutschen Presse-Agentur. Vor ein paar Tagen in Hongkong, von dort über Berlin nach Düsseldorf, weiter nach Leipzig, dann Hannover. Lybke, auch „Judy“ genannt, versteht sich als Vermittler, als jemand, der Karrieren aufbaut und begleitet, als Verkäufer und Unternehmer. Damit ist er weltweit bekannt. Damit verdient der Sachse, der gern auffällige Hemden, Anzüge und Brillen trägt, seit 40 Jahren sein Geld.

Der junge Lybke verdiente sich einst sein Geld als Aktmodell in einem Hochschul-Vorkurs. So lernte er Künstler kennen. Seine erste Galerie eröffnete der heute 62-Jährige 1983 in seiner Heimatstadt – also in der DDR.

Dass er mit dem Verkauf von Kunst erfolgreich wurde, habe auch mit dem Zeitpunkt seiner Geburt zu tun, sagt der Autodidakt: „Ich konnte die Wende noch begreifen, hatte dann aber auch die Möglichkeit, meine Träume wahr werden zur lassen. Und ich war damals bereit, den Helden zu geben. Für mich war es kein Risiko das System zu verlassen, sondern eine Chance.“

Helden wie Lybke standen damals früh auf, erzählt er. „Weil der Kapitalismus damals noch sehr gut funktioniert hat. Man konnte mit intensiver Arbeit – also mit morgens als Erster aufstehen und um 10 Uhr schon alle Geschäfte erledigt haben – erfolgreich sein. Heute geht das nicht mehr.“

Heute hat er neben seiner Leipziger Galerie noch zwei weitere in Berlin-Mitte. In einer davon, dem „Eigen+Art Lab“, werde seit 13 Jahren experimentiert. „Wir probieren aus, was die neuen Wege sein könnten, um diese dann auch mit den zwei Hauptgalerien zu gehen.“ Im Lab ebneten junge Galeristen jungen Künstlerinnen und Künstlern den Weg, probierten neue Werkzeuge zur Vermarktung von Kunst aus, sammelten Erfahrung. „Für mich ist das total spannend. Ich mische mich da aber nicht ein, ich unterstütze nur.“

Schon früher habe Lybke immer gewusst, wo was los und wer spannend ist, erinnert sich der ebenfalls aus Leipzig stammende Künstler Uwe Kowski. „Judy habe ich 1982 eines Abends in einem Zeichenkurs an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig das erste Mal gesehen. Er war sehr direkt und neugierig.“ Ein Jahr später eröffnete Lybke seine erste Ausstellung – in seiner Wohnung. Dass ihn der Galerist 1990 als Künstler in seiner Galerie aufnahm, sei ein entscheidender Moment gewesen, so Kowski. „Es war und ist über all die Jahre ein sehr gutes Gefühl zu wissen, dass ein verlässlicher Partner an meiner Seite ist, der zu mir steht.“

Wie Kowski gehören viele Künstlerinnen und Künstler schon lange Jahre zu den Eigen+Art-Galerien, sagt Lybke. Dazu zählen Martin Eder, Tim Eitel, Olaf Nicolai und Ricarda Roggan. „Viele haben wir früh entdeckt, mit einigen gehen wir schon jahrzehntelang gemeinsame Wege.“

Wir, das sind in Lybkes Augen vor allem seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Wir sind ein Team. Heute würde man vielleicht sagen: ein Kollektiv.“ Mittlerweile arbeiten mehr als 20 Menschen für ihn. „Lange Zeit haben wir den Markt gemacht statt ihm hinterherzurennen. Wir haben ihn kreiert“, so der Galerist.

Die Corona-Pandemie habe innerhalb der Branche einiges geändert. Die Aufgabe von Galerien habe sich verändert. „Es reist nicht mehr jeder auf jede Messe. Wir Galeristen bringen also die Kunst in die Museen, machen Ausstellungen. Auf Messen haben sie nun deutlich mehr Zeit. „Wir können endlich echte Eindrücke in den Ländern sammeln.“

Die Branche war auch schon vor der Pandemie im Wandel. „Das Internet und die Sozialen Medien haben zum Beispiel die Reichweite von Galerien deutlich vergrößert“, sagt Lybke. Aber: „Galerien sind der Raum, in dem man in Person vor einem Bild stehen kann und einen Ansprechpartner hat.“

Zum 40. Jubiläum am 10. April ist eine kleine Party geplant. Mehr nicht. Nach vier Jahrzehnten im Geschäft spiele übrigens das frühe Aufstehen keine Rolle mehr, ergänzt Lybke. „Heute würde ich mir wünschen, mal wieder früh aufzustehen und in die Galerie zu gehen.“ Das lasse sein Terminkalender jedoch nicht mehr zu. „Auch deshalb trage ich meine maßgeschneiderten Anzüge. Die müssen mittlerweile wie eine Wohnung sein – damit ich weiß, wo ich bin, wenn ich irgendwo in der Welt aufwache.“ (dpa)

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