Der Dokumentarfilm „Der Illusionist“ erzählt vom Aufstieg und Fall des einstigen Kunstberaters Helge Achenbach
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26.04.2023
Dorothee Achenbach, die inzwischen von Helge Achenbach geschiedene Ex-Frau, erinnert sich an die Verwüstungen des Sturmtiefs Ela, das in der Nacht ihrer Ankunft aus Übersee gewütet hatte. Und an die Polizisten, die sie und ihren Mann am Düsseldorfer Flughafen am 10. Juni 2014 mit einem Haftbefehl erwarteten. Sie kehrten gerade aus Brasilien zurück, wo der Kunstberater Achenbach das Trainingscamp der deutschen Nationalmannschaft mit Kunstwerken ausgestattet hatte. Am 16.03.2015 wurde Achenbach wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Untreue zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. „Und auf einmal sollte unsere kleine Welt zerstört sein.“
Dass diese kleine Welt gar nicht so klein war, zeichnet Regisseurin Birgit Schulz in ihrem Dokumentarfilm „Der Illusionist“ nach, indem sie private und berufliche Wegbegleiter zu Wort kommen lässt. Und natürlich steht auch am Anfang dieses Skandals zunächst eine beachtliche Erfolgsgeschichte: Seit Gründung seiner Achenbach Art Consultancy 1977 war Helge Achenbach maßgeblich am Aufbau der wichtigsten Unternehmenssammlungen Deutschlands beteiligt. Er beriet Versicherungsgesellschaften und Banken, Softwareunternehmen wie IBM und Milliardenkonzerne wie Volkswagen beim Ankauf von Kunstwerken und dem Aufbau groß angelegter Kunstprojekte. Ein lukratives Geschäft, mit dem Achenbach über die Jahrzehnte ein großes Vermögen und sein eigenes Universum aufbaute, dessen Epizentrum das Monkey Restaurant in Düsseldorf wurde – benannt nach Jörg Immendorfs Affenskulpturen, nicht etwa nach den geschäftlichen Methoden ihres Gründers, die 2014 eine Aldi-Erbin auf den Plan riefen, da sie Achenbach Betrug in Millionenhöhe vorwarf.
Entwaffnend offen gesteht Achenbach in dem Film, er habe im Rahmen des Aldi-Mandats zum Aufbau einer Sammlung von Beckmann bis Warhol einen Kokoschka für Berthold Albrecht zu einem besonders günstigen Preis ankaufen können und auf einmal realisiert, dass die vereinbarte Kommission in Höhe von 5 Prozent ihm angesichts der Qualität des Werks zu gering erschienen habe. Anstatt seine Vereinbarung nachzuverhandeln habe er „die Idee entwickelt, einfach 100.000 mehr auf die Rechnung zu packen“. Eine schlechte Idee, wie sich herausstellen würde.
Ob der erwähnte Kokoschka tatsächlich sein erster Sündenfall war, darüber erfahren wir nichts. Auch nicht in jener genialen Szene, in der der inzwischen aus anderen Gründen in Ungnade gefallene Galerist Johann König in seinem ehemaligen Podcast „Kunst und Crime“ in investigativer Manier Achenbach mit seinem unmoralischen Verhalten konfrontiert und danach fragt, wie sich die Routine des „Mehr-Kassierens“ bei ihm eingeschlichen habe. König fragt: „Mich interessiert dieser Moment, wann man aus dem Auge verliert, dass das eigene Handeln nicht rechtens ist.“ Und Achenbach antwortet: „Das ist mir passiert. So ein Thema läuft unbewusst-bewusst.“ Die von König im engen Podcast-Studio gestellte Frage, lässt sich im Grunde auf die meisten Skandale übertragen, die der Kunstmarkt in beeindruckend hoher Frequenz produziert. Der Fälschungsskandal von Wolfgang Beltracchi, der Steuerskandal von Mary Boone, das Betrugsschema von Inigo Philbrick; das alles sind Fälle, in dem genau dieser Moment moralischer Selbstkontrolle, nach dem König hier fragt, keine Chance gegen die viel größere Verlockung hatte.
Wie tief Achenbach gefallen ist, dass er von ehemaligen Freunden und Kollegen auf einmal geächtet wurde, sein Vermögen und seine Ehe verlor, davon erzählen nicht nur die vielen sehr intimen Interviews, sondern auch die teils grotesken Bilder, die Birgit Schulz nach seiner Freilassung einfangen konnte: Unter dem Titel „Back in Black“ veranstaltet Achenbach eine Vernissage, auf der nun seine eigenen Gemälde angeboten werden, bei deren Entstehung wir ihn zuvor in Schürze und mit Hut beobachten dürfen – und die er selbst in der Tradition von Caspar David Friedrich und Ferdinand Hodler einordnet.
Etwas vage hingegen bleiben seine Aussagen zu dem Verkauf einer bedeutenden Picasso-Sammlung die ihm anvertraut wurde. Er redet von einer „sehr vermögenden asiatischen Familie, einem „russischen Oligarchen“ und einem „zögerlichen Schweizer“, während er in einem Schnellhefter Picasso-Abbildungen in Klarsichtfolien hin- und herblättert. Back in Black, aber Back in Business?
Der Epilog des Films zeichnet ein anderes Bild als das, was Achenbach mit dieser Szene vielleicht gerne vermittelt hätte: In der kleinen Gemeinde, in der er heute auf einem Bauernhof zwischen der lauten A57 und einem Baggersee Schafe füttert, hat der Illusionist ein Projekt für einen Skulpturenpark ins Leben gerufen. Inzwischen sind auch internationale Ableger dieses „Parks der Sinne“ geplant, wie wir aus dem Off erfahren. Bei der Eröffnung, zu der Achenbach den lokalen Sparkassen-Direktor als „Chef der Sparkasse“ begrüßt und sich über die Anwesenheit weiterer „bedeutender Führungspersönlichkeiten“ freut, wird dann auch eine Rede auf ihn gehalten, in der es heißt: „Es ist super, wenn es so Menschen gibt wie Herrn Achenbach, der über Grenzen hinweggeht und einfach groß denkt.“