Für Messe-Direktor Ewald Karl Schrade ist dies die letzte Art Karlsruhe vor der Übergabe in neue Hände
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04.05.2023
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 8/23
Es war kühn, geradezu tollkühn von Ewald Karl Schrade, der 2004 den Plan fasste, in Karlsruhe eine Kunstmesse zu gründen. Es fanden sich Mitstreiter. Vier große Hallen boten den idealen Veranstaltungsort. Nun kuratiert er die prall gefüllten Tage zum letzten Mal und gibt danach den Staffelstab in jüngere Hände. Eine neue Leitungs-Spitze ist bereits berufen: Olga Blaß und Kristian Jarmuschek.
Diesmal prägen 207 Galerien aus 15 Ländern das Geschehen. Zu Sprache und Gesicht kommt das Schaffen von Künstlerinnen und Künstlern der vergangenen 120 Jahre: klassische Moderne Kunst nach 1945 und die Entwicklungen innerhalb der Gegenwartskunst. Von Anfang an war es das Ziel, eine Entdeckermesse zu etablieren. Sie richtet sich an solche, die eine Sammlung aufbauen oder substanziell fortführen wollen.
In Halle 1 liegt der Schwerpunkt auf Druckgrafik von Pia Fries, Karin Kneffel, Tony Cragg oder Heinz Mack an gleich acht Messeständen. Es weitet sich international dank Blättern von beispielsweise Braque, Chillida, Miró und Picasso sowie Christo und Jeanne Claude. Jorinde Voigt bestreitet ein eigenes Feld mit ihrer sensiblen Notation kultureller und naturwissenschaftlicher Phänomene. Sam Francis mit seiner eigenständigen Farbsprache ist ebenfalls bei mehreren Galerien zu finden.
Nicht weniger als 139 Aussteller melden sich in Halle 2 zu Bild, Papier, Skulptur und Installation: Katharina Grosse (Galerie Ludorff) und Cornelia Schleime sind mit starken Gemälden vertreten, bei den Malern glänzt Rainer Fetting. Bemerkenswert ist auch die austarierte „Neue Figuration“von Joachim Czichons am Stand der Galerie Frank Schlag aus Essen. Gerhard Richter begegnet man ebenso wie Alex Katz oder Tom Wesselmann.
Ein illustres Angebot gibt es auch bei Kunst nach 1945. Nach der Mannheimer Ausstellung „Becoming CoBrA“ dürften die Arbeiten von Jorn, Appel, Alechinsky, Lucebert und Corneille („Die Galerie“) auf reges Interesse stoßen. Gleich bei vier Galerien sind Werke von Herbert Zangs zu sehen. Er gilt heute als Pionier der ungewöhnlichen Malerwerkzeuge.
Besonderes Augenmerk galt in Karlsruhe schon immer der Klassischen Moderne in Halle 3. Zu Beginn der 1920er Jahre zählte die Stadt mit Berlin, Dresden, Hannover und München zu den Hochburgen der „Neuen Sachlichkeit.“ Auf der Messe sind Arbeiten von Rudolf Schlichter und Otto Dix (Hegau Bodensee Galerie) zu finden. Max Beckmann ist mit früher Druckgrafik vertreten (Felix Jud, Hamburg). Beachtlich, was die Londoner Galerie Gilden’s Art von den Expressionisten Kirchner, Pechstein und Schmidt-Rottluff zeigen kann. Schließlich fällt Lotte Lasersteins altmeisterlich durchgearbeitete Kreidezeichnung auf, die das Können der Künstlerin demonstriert. Selten trifft man auch auf ein Gemälde Otto Modersohns von solchem Rang, wie ihn das Bildnis seiner Frau „Louise Modersohn-Breling mit Pelzkragen“ besitzt. (Dr. Nöth Kunsthandel, Ansbach). Von ihm wünschte man sich mehr zu sehen, vor allem seine Kreide und Rötelzeichnungen.
Ein herausragendes Ereignis der aktuellen Messe ist die Verleihung des Hans-Platschek-Preises an Cornelia Schleime. Als Referenz an den scheidenden Kurator wird seine private Sammlung gezeigt mit Werken von Heckel, Hubbuch und Stöhrer. Ein besonderes Angebot an das Publikum bilden Podiumsveranstaltungen mit Pia Müller-Tamm (Kunsthalle Karlsruhe) und Johan Holten (Kunsthalle Mannheim) sowie ein Gespräch mit dem Sammlerehepaar Klöcker und Studierenden der Kunstakademie Karlsruhe.