Alles nur Deko

Besseres Betriebsklima

Der Schreibtisch als Sockel für Skulpturen? Kunst am Arbeitsplatz sorgt für die nötige Prise Inspiration, Ruhe und Humor. Folge 15 unserer Stilkolumne plädiert für mehr Deko im Büro

Von STELLA VON SENGER, SEBASTIAN HOFFMANN & CECIL VON RENNER
10.05.2023

Wurde in den Sechziger- und Siebzigerjahren des 16. Jahrhunderts auch so viel gearbeitet? War es in Florenz damals auch so stressig, waren auch alle so super busy? Jedenfalls bauten die Medicis um diese Zeit herum bessere Büros für ihre Minister und hatten dabei wohl das Thema Work-Life-Balance schon im Sinn. Denn dabei kamen die Uffizien heraus, wo nicht nur Platz für Arbeitsplätze war, sondern eben auch für ihre nicht gerade unbedeutende Kunstsammlung. Wann genau der Pegel ganz in Richtung Kunst ausschlug und aus den Offices der Uffizien eines der wichtigsten Museen der Welt wurde, wissen wir nicht so genau. Anders als die Rente ist das aber sicher: Kunst am Arbeitsplatz verbessert das Betriebsklima. Heute sind die Minister schon lange in Pension, sehnen sich aber sicherlich nach jenen Tagen, als sie neben Caravaggio, Cimabue, Canaletto und Co. ihrer Arbeit nachgehen durften.

Pegasus
Kunst als positiver Störfaktor kann auch beruhigen: Pegasus Products „Kristalllampe Lampe“, 2021 © courtesy die Künstler und Galerie Georg Nothelfer

Zwischenzeitlich hatte es der Büroarbeitsplatz schwer. Erst durfte man nicht mehr hin, nun will keiner mehr. Der Vorteil in Büros mit Unternehmenssammlungen ist: Wenn alle anderen im „Home Office“ sind, fühlt sich ein Werktag so an, als ob man außerhalb der Öffnungszeiten ins Museum dürfte. Endlich allein mit der Kunst!

Seitdem alle plötzlich gezwungen waren, in ihrem Zuhause ein „Home Office“ zu eröffnen, vermischen sich die Welten. Der Arbeitsplatz wird wohnlicher, die Wohnung bekommt mehr Arbeits-Platz. Da fällt einem dann auf, dass ein bestimmtes Kunstwerk zu Hause vielleicht doch zu viele Fragen bei den Kolleginnen und Kollegen aufwerfen könnte, wenn es während der Bildschirmkonferenz im Hintergrund zu sehen ist. Oder aber man will ganz bewusst ein Zeichen setzen oder angeben oder so, dann hängt man sich ganz klassisch wie der Boss im obersten Stockwerk einer nicht näher genannten Finanzmetropole das Bild auf die Holzvertäfelung hinter den Chefsessel. Für alle zu sehen, außer für einen selber, was eigentlich doch ziemlich doof ist und sozusagen das geschäftliche Äquivalent zum Bild über dem Wohnzimmersofa.

Tadan
Die Kolumnisten im gerade neu bezogenen Büro der Weltkunst-Chefredaktion © Catherine Peter

Ganz unabhängig vom Arbeitsumfeld kann etwas Kunst für die nötige Prise Inspiration, Prestige, Ruhe oder Humor sorgen – oder für die Verwirrung der Kollegen. Zum Beispiel kann man sie ganz einfach wachrütteln, indem man eines Tages plötzlich die Fotos der Ehepartner oder Kinder durch die Fotos anderer Ehepartner und Kinder austauscht, oder einfach jede Woche ein neues dazustellt. Das dient mindestens als Smalltalk-Einleitung und man muss nicht übers Wetter reden (so wie wir in unserer letzten Kolumne).

Der Schreibtisch dient ja überhaupt als perfekter Sockel für Mini-Installationen, Skulpturen – irgendwelche Sport-, Jagd- oder Schach-Trophäen in der Familie? –, verrückte Lampen oder Aschenbecher zwielichtiger Etablissements. So kann der Schreibtisch zu einer Landschaft der Gesprächsanlässe werden. Einem selbst wird beim Austausch mit der Buchhaltung nicht langweilig, wenn man nebenbei als Kurator der eigenen Arbeitsoberfläche tätig wird.

Martin Kippenberger
Eine Frage der Einstellung(sgespräche): Martin Kippenbergers "The Happy End of Franz Kafka’s ’Amerika’" im Museum Folkwang, 2021 © Foto: Simon Vogel / Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Köln

Hat man die Art von Job, bei der Zeit Geld ist, schaffe man für seine Kurzzeitgäste als Stühle möglichst exaltierte Sitzskulpturen an. Sie bleiben dann nicht allzu lang, trotz der fesselnden, kürzlich eröffneten Fotoretrospektive auf dem Gastgeberschreibtisch. Ein großer Ideengeber für Interieur-Konzepte solcher Art ist mal wieder der oft erwähnte aber nie erreichte Martin Kippenberger mit seiner Bürospielfeldgroßinstallation „The Happy End of Franz Kafka’s Amerika“. Hier lassen sich viele schöne Beispiele für Gegenüberstellungen von Sitz(un)gelegenheiten finden. 

Metro Gym Kunst im Büro
Eine Anzeige von Metro Gym aus dem Jahr 2007 © Ads of the World

Wer weder das Geld noch die Erlaubnis des Arbeitgebers hat, seine Bürozelle zu dekorieren, dem bleibt die alljährliche Weihnachtsfeier, um zumindest im Medium der Performance einmal für etwas Ungleichgewicht und Gesprächsstoff zu sorgen. Und wer Glück hat, darf am Ende des Abends vielleicht sogar eine spontane, nicht unbedingt jugendfreie Edition aus dem Kopiergerät des sonst so introvertierten Mitarbeiters aus dem Personalwesen mit nach Hause nehmen. Ob die zwölf besten Prints aus dieser Akt(ions)edition bald hübsch gerahmt hinter dem Schreibtisch einer sammelnden Kollegin hängen, hängt ganz vom Verhandlungsgeschick des „Künstlers“ ab — und dessen Diskretionsbedürfnis ($$$).

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