Josephine Baker

Parodie und Protest

Die Bundeskunsthalle Bonn würdigt Josephine Baker als Ikone der Performance – und vor allem als unermüdliche Kämpferin gegen Rassismus und für Menschenrechte

Von Rose-Maria Gropp
26.06.2023
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 214

Geboren wurde Josephine Baker als Freda Josephine McDonald am 3. Juni 1906 in St. Louis im amerikanischen Bundesstaat Missouri. Da war ihre Mutter Carrie McDonald 21 Jahre alt. Der Vater war vermutlich ein Schlagzeuger namens Eddie Carson, mit dem die Mutter durch die Bars von St. Louis tingelte. Freda Josephine wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Im Juli 1917 erlebte sie als kleines Mädchen das rassistische Massaker in East St. Louis mit vielen Toten, diese Erfahrung wird ihr weiteres Leben fundamental prägen. Ihre ersten Auftritte hatte sie als Komparsin in einem Theater in St. Louis, das Vaudeville-Vorstellungen ausschließlich für ein afroamerikanisches Publikum bot. Mit fünfzehn Jahren ging sie eine kurze Ehe mit dem Zugbegleiter Willie Baker ein, dessen Namen sie behalten wird. Dank ihrer tänzerischen Begabung trat sie bald in einem New Yorker Club auf, schließlich in Paris, wo „La Revue Nègre“ 1925 im Théâtre des Champs-Elysées Premiere feierte: der Start ihrer einzigartigen Karriere. Josephine Bakers Siegeszug begann in Europa. Jetzt widmet ihr die Bonner Bundeskunsthalle eine Schau.

Es ist die Ära des Jazz mit seinem „schwarzen“ Rhythmus, der aus Amerika herüberschwappte. Es sind die Années folles in Europa nach dem Ersten Weltkrieg. Josephine Baker erfüllte in ihren exzentrischen Tanzdarbietungen die Erwartungen eines Publikums, dessen Vorstellungen von „Exotik“ sich damals maßgeblich mit Afrika verbanden. Sie tat das in der „Revue Nègre“ mit ihrem „Danse Sauvage“, dann mit ihren Performances in offensiver Beinah-Nacktheit, nur den inzwischen notorischen Gürtel aus Plüschbananen um die Hüften, begleitet von Augenrollen bis hin zu extremem Schielen. Voilà, die schöne „Wilde“ bediente die Klischees des Primitiven – und machte sich zugleich darüber lustig. Wer weiter gehen will, kann diesen Schurz mit den wippenden Früchten bei ihrem „Banana Dance“ als nur scheinbar naive, provokativ sexuelle Anspielung verstehen. In ihrem Beitrag zum Bonner Katalog beschreibt das Brygida Ochaim: „Die Parodie als Strategie der künstlerischen Selbstbehauptung war für Josephine Baker eine Möglichkeit, auf den kolonialen Blick des Publikums zu reagieren, indem sie das Stereotyp vom unzivilisierten Schwarzen karikierte und in der Übertreibung entlarvte.“ Ihre expressive Gestik lässt sich als Form der Selbstdistanzierung deuten. Sie bot damit eine willkommene Projektionsfläche für die Zuschauenden, die sich in ihren Vorstellungen bestätigt sahen. Zugleich konnte das Publikum, weil es sich um eine künstlerische Darbietung handelte, die eigenen rassistischen und kolonialistischen Ressentiments verdrängen.

Josephine Baker Uniform
Die Künstlerin 1948 in Uniform. © Studio Harcourt/Ministère de la Culture - Médiathèque du Patrimoine, Dist. RMN-Grand Palais/bpk

Diese Verquickung wird sichtbar auf einer Fotografie von Dora Kallmus. Die aus Wien stammende Fotografin gründete 1925 unter ihrem Künstlernamen „d’Ora“ ein Studio in Paris. Sie hat Josephine Baker mehrfach porträtiert. Auf dem Foto hält sie sich, halbnackt im Profil sitzend, einen kleinen Elefanten vors Gesicht, Symbol eines imaginierten Afrikas. Tatsächlich war der Elefant ein kunsthandwerkliches Objekt aus der Wiener Werkstätte von Julius Klinger, das Dora Kallmus nach Paris mitgenommen hatte. Schon früh haben sich prominente Künstler Josephine Bakers Erscheinung angenommen, in der Bonner Ausstellung sind einige Beispiele dafür zu sehen. Dabei gilt, dass die Kunst sich schon vor ihrem Auftreten in Paris für die afrikanische und ozeanische Skulptur begeistert hatte, man braucht nur an Picassos „Demoiselles d’Avignon“ von 1907 zu denken. Übrigens gehört Josephine Bakers gern zitierte Behauptung, „Picasso habe ich mehrfach Modell gestanden“, in den Bereich ihrer privaten Legenden. Sie ist in der Picasso-Literatur nicht zu verifizieren, so wenig wie eine direkte Begegnung mit ihm.

Anders ist das bei Le Corbusier. Während einer Schiffsreise 1929 von Südamerika nach Europa auf dem französischen Passagierdampfer „Giulio Cesare“ soll sie nicht nur nackt in der Kabine für den Architekten gesungen haben, sondern Le Corbusier schuf auch die ungewöhnliche Zeichnung der „Schlafenden Josephine Baker“. Den österreichischen Architekten Adolf Loos inspirierte sie nach einer Begegnung in Paris 1927 zum Entwurf eines markanten Hauses für sie in Paris, mit einem gläsernen Swimmingpool im Zentrum; das Modell wurde aber nie realisiert. Auf einer Fotografie ist in Bonn der amerikanische Bildhauer Alexander Calder zu sehen, der 1926 nach Paris kam und danach „Josephine Baker“ in einigen Varianten als kinetische Drahtskulptur schuf.

Karl Hagenauer Josephine Baker
Karl Hagenauer schuf in den 1930ern die Plastik von der tanzenden Josephine Baker. © Dorotheum Wien

Im Jahr 1927 porträtierte auch Paul Klee sie als „Negride Schönheit“. Henri Matisse, der sich schon in seinem „Jazz“-Kunstbuch 1947 dem Tanz gewidmet hatte, setzte ihr später ein Denkmal in seinem großformatigen Scherenschnitt „La Négresse“ von 1952 (das Original befindet sich heute in der National Gallery of Art, Washington). Leider wird keine der Zeichnungen gezeigt, die Jean Cocteau von ihr fertigte, nachdem er sie im Théâtre des Champs-Elysées gesehen hatte. Er war hingerissen und suchte den Kontakt zu ihr; auf der Rückseite einer Schallplattenhülle notierte er: „Eine Pantherin, ein Leierschwanz und die Anmut eines Engels: Das sind einige Titel für die liebevolle Dankbarkeit eines Frankreichs, das stolz auf seinen Antirassismus ist.“ Mit seiner typischen Emphase brachte Cocteau auf einen Nenner, was jedenfalls die Künstler empfunden haben mögen. In diversen Ausführungen produzierte Karl Hagenauer in seiner Werkstätte in Wien Ende der Zwanzigerjahre seine im Tanz elegant bewegten „Josephine Baker“-Figurinen, schon damals begehrte Sammlerstücke, heute zunehmend kostspielig. Am nächsten kommt der Formensprache afrikanischer Stammeskunst 1936 der russische Bildhauer Sébastien Tamari in seiner Skulptur. So ließe sich sagen, dass Josephine Baker zur lebendigen Repräsentation der zuvor begonnenen Appropriation afrikanischer Kultobjekte in der Kunst wurde. Entscheidend aber für ihre Kategorisierung als Ikone waren die Fotografie und der Film, derer sie sich geschickt zu bedienen wusste.

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