In der Langen Foundation in Neuss erzählt die Malerin Conny Maier die Komödie vom Ende des Anthropozäns: Zwischen Albernheit und Horror gibt es keinen Ausweg
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06.09.2023
Woher kennt man bloß diese aufgerissenen Augen und weit geöffneten Münder? Diese Frage stellt sich schon beim ersten Blick in die weiträumigen Säle in der Langen Foundation in Neuss. Ist vielleicht eine Referenz an Edvard Munchs „Der Schrei“? Oder an Sex-Puppen und grotesk verunstaltete Opfer von Schönheitsoperationen?
Dass die farbgewaltig in Szene gesetzten Figuren, die Conny Maier auf ihren Großformaten mit wilden Gesten agieren lässt, Vorbilder aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis haben, hätte man nicht erwartet. Zu uneindeutig ist das Geschlecht, zu ähnlich ihre maskenhaften Gesichter, die auf den weißen Wänden in einer endlosen Reihung gehängt sind. Zu voluminös die Hinterteile und klotzig die Bewegungen. Und eigentlich möchte man diesen aggressiven Zeitgenossen auch nicht wirklich im realen Leben begegnen.
Oder täuscht man sich, wenn man glaubt, sie alle würden ein destruktives Verhalten an den Tag legen? In manch einem Wirbel steckt auch ein Fünkchen von unbeholfener Komik, wenn die erschreckend tumben Gestalten über den Boden kriechen und den Kopf verdrehen, als witterten sie stets einen Verfolger, der ihnen an den Kragen will.
Es sind eingeengte, fleischige, schlaffe Riesen, die aus der Leinwand treten möchten, Kettenraucher mit schwarzen Höhlenaugen und knallroten Lippen, im Kampf mit ihrer eigenen erschöpften Spezies und Tieren in einer viel zu lange domestizierten Natur, die jetzt zurückschlägt. Maier gibt diesen Witzfiguren mit schwerfälligen Schuhen und großer Distanz zur Erde nicht mehr viel Zeit, denkt man, schließlich beendet sie jedes Gemälde mit einem zittrigen Strich aus Ölkreide, der das selbstzerstörerische Treiben scheinbar cancelt.
Die Berlinerin, die jetzt mit der Solo-Schau „Beautiful Disasters“ in den eleganten Tadao-Ando-Bau ihre aufdringliche menschliche Komödie von der Endphase des Anthropozäns hat einziehen lassen, lebt inzwischen in Baleal, einer portugiesischen Kleinstadt, die mit ihrer Lage am Atlantik vor allem unter Surfern beliebt ist. Kuratiert hat den Paukenschlag Udo Kittelmann, der auch schon 2020 jene Jury beriet, die Mayer zum „Artist oft the Year“ kürte. Eine Genugtuung für jemand, der an mehreren Akademien abgelehnt wurde.
Die Künstlerin der Stunde ist Maier allemal, mit ihrer Kritik an der desaströsen Entwicklung, die unser Planet dank der Einmischung des Menschen genommen hat. Beim Flanieren durch die hochgeschossige Architektur entfaltet sich das ganze Spektrum der Grausamkeiten, die in der ambivalenten menschlichen Gefühlswelt stecken: Gier, Neid, Zerstörungswut, Egoismus und Machtstreben.
Hier und da glaubt man die Andeutung einer empathischen Handlung zu erkennen, die aber sogleich konterkariert wird. Denn, so scheint es, auch die beste Absicht prallt an der Realität einer Gesellschaft ab, die zwischen Albernheit und Horror keinen Weg aus der selbstgemachten Misere findet. Die Obst- und Pflanzenstudien könnten da eine Zuflucht bieten, aber auch sie drängen in den Raum, möchten ihn für sich erobern und den anderen vorenthalten. Diese Malerei tut weh. Und sie lebt alle Widersprüche und Fallhöhen unserer Zeit, in einer ganz eigenen Bildsprache, deren Alphabet noch lange nicht ausgezählt ist.