Bild des Tages

Geraubter Cézanne

Bei den New Yorker Herbstauktionen von Christie’s sollen gleich drei Gemälde Paul Cézanne, aus dem Museum Langmatt, unter den Hammer kommen. Der Verkauf der Bilder sorgte bereits international für viel Kritik. Jetzt offenbarte sich auch noch die tragische Geschichte hinter einem Werk

Von Alicia Ettwig
31.10.2023

40 Millionen Franken benötigt das renommierte Privatmuseum Langmatt im schweizerischen Baden, um sein Fortbestehen zu sichern. Nach der erfolglosen Prüfung anderer Möglichkeiten, entschied sich der Stiftungsrat zum Verkauf von (höchstens) drei Kunstwerken. Um den Bestand zu schonen, soll nur so lange versteigert werden, bis das Betragsziel erreicht ist. Gestartet wird mit Paul Cézannes Stillleben „Fruits et pot de gingembre“ (1890/93), das auf 32 bis 50 Millionen Franken taxiert ist. Nur wenn dies den gewünschten Betrag verfehlt, kommen die anderen Werke ( „La mer à l’Estaque“ und „Quatre pommes“) zum Aufruf.  Dass ein Museum seine Werke an Privatpersonen verkauft, wird viel kritisiert. Auch die ethischen Richtlinien des internationalen Kunstrates ICOM raten von einem Verkauf aus dem Museumsbesitz ab.

Dann stellte sich kurz vor der Auktion bei Christie’s heraus, dass ein Schatten auf Cézannes „Fruits et pot de gingembre“ liegt. Jacob Goldschmidt, ein angesehener jüdischer Kunsthändler, erwarb das Werk 1929. Nach der Machtergreifung der Nazis im Januar 1933 wurde Goldschmidt zunehmend feindseligen Maßnahmen ausgesetzt. Ein Jahr später wurde er von seinem Beruf ausgeschlossen, 1936 emigrierte er. Cézannes hatte er schon im November 1933 unter den Bedingungen der wachsenden Repressalien an den Schweizer Unternehmer Sidney Brown verkauft, dessen Sohn die Villa Langmatt und die Sammlung 1987 per Testament in eine Stiftung einbrachte. 

Dass Christie’s den verfolgungsbedingten Verkauf erst kurz vor dem Sale am 9. November entdeckte, wirft Fragen auf – gegenüber dem Auktionshaus wie dem Museum. Es folgten hastige Verhandlungen zwischen den Erben Goldschmidts und der Stiftung Langmatt mit dem Ziel, eine harmonische Lösung zu finden. Nun einigte man sich, beinahe in letzter Minute: Das Gemälde darf versteigert werden – unter Würdigung seiner komplexen Geschichte und unter Aufteilung der Ertragssumme. Zu welchen Teilen der Erlös aufgeteilt wird, ist nicht bekannt. Für das Museum Langmatt bedeutet der Verkauf eine Chance, aus finanziellen Schwierigkeiten herauszukommen. Und für die Erben Goldschmidts ist es eine späte Anerkennung des Unrechts, zudem Gelegenheit, auf ihre Familiengeschichte hinzuweisen. 

Aufgrund der medialen Aufmerksamkeit und der Einigung mit den Erben wird Cézannes Bild wohl einen hohen Preis erzielen können. Durch die Aufteilung des Gewinns bleibt allerdings unklar, ob das Museum Langmatt ihr Betragsziel von 40 Millionen Franken erreicht oder ob auch die beiden anderen Cézanne-Gemälde aufgerufen werden müssen.

Übrigens: Der Christie’s 20th Century Evening Sale findet am 9. November in New York statt.

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