Mit dem Fahrrad an der Havel

Am letzten Tag spielt das Herbstlaub die Hauptrolle, in den weiten Parks und Gärten auf beiden Seiten der Havel, die wir auf Leihfahrrädern erkunden

3. Tag

Am letzten Tag spielt eigentlich das Herbstlaub die Hauptrolle, in den weiten Parks und Gärten auf beiden Seiten der Havel, die wir auf Leihfahrrädern erkunden. Wir starten am Ort der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945, der letzten Konferenz der Alliierten des Zweiten Weltkriegs. Dann radeln wir in den Neuen Garten, vorbei an Gotischer Bibliothek, Orangerie und Marmorpalais zum Cecilienhof, dem letzten Schlossbau der Hohenzollern, der mit seinem englischen Tudorstil eine weitere Zeit, einen weiteren Stil ans Havelufer bringt.

Weiter geht es in Richtung Glienicker Brücke – doch auf dem Weg vergessen wir vor lauter kleinen architektonischen Rekonstruktionen, dass wir gerade im ehemaligen Grenzstreifen unterwegs sind. Hilfreiche Informationen liefern die Schilder von Orten wie der Borkenküche, der Muschelgrotte oder der Eremitage. Wie so vieles in Potsdam waren sie in den Jahren des Krieges und der deutschen Teilung verfallen und sind nun durch häufig private Spenden wiederaufgebaut worden.

Am Ausgang des Parks passieren wir die Königliche Matrosenstation, deren norwegischer Drachenstil uns ganz unerwartet trifft, bevor wir die Villa Schöningen an der Glienicker Brücke erreichen. Freitag bis Sonntag geöffnet, zeigt sie wechselnde Ausstellungen: Ab 28. Oktober wird der Zyklus „Frauen“ von Michael Schmidt zu sehen sein. Zum Thema unseres Tages passt die Dauerinstallation „Das Leben im Todesstreifen“ des Videokünstlers Stefan Roloff, ein detailverliebt eingerichtetes Retro-Wohnzimmer, an dessen Wänden Videos den Blick auf den einst streng bewachten Grenzstreifen eröffnen.

Schloss Babelsberg
Das neogotische Schloss Babelsberg am Stadtrand von Potsdam © Yorck Maecke/Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH

Die einstige Grenze überqueren wir nach einem Stück Kuchen im Museumscafé, indem wir entspannt über die Havel und Glienicker Brücke ins ehemalige Westberlin rollen. Weil wir uns auf Potsdam konzentrieren wollen, lassen wir Pfaueninsel, Nikolskoe oder die Glienicker Schlösser links liegen und kehren über die Parkbrücke Klein-Glienicke zurück nach Potsdam-Babelsberg.

Wieder einmal begrüßt uns in dem weitläufigen Park von Peter Joseph Lenné und Hermann Fürst von Pückler-Muskau die Universität Potsdam, die wir heute zugunsten des Dampfmaschinenhauses und dann des Schlosses Babelsberg ignorieren. Das neogotische Märchenschloss ist leider gerade für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, aber die großen Fenster erlauben Neugierigen, sich eine kleine Vorstellung vom Inneren zu machen, auch wenn der achteckige Tanzsaal sich wohl besser im Internet bestaunen lässt.

Bis Ende Oktober kann aber zumindest am Wochenende ein anderes Schmuckstück im Park besichtigt werden: Der Flatowturm, der über dem Park thront und immer wieder pittoresk zwischen Bäumen und gotischen Bögen auftaucht – besonders reizend ist das Fotomotiv an der Gerichtslaube. Das Innere des 46 Meter hohen neogotischen Turms aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bietet neben den atemberaubenden Fensterblicken auf Potsdam auch einige original ausgestattete Räume.

Herabgestiegen vom Turm machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Ein ganz modernes Schmuckstück haben wir uns für den Schluss aufgehoben: das Terrassenrestaurant Minsk, das seit der Wende vernachlässigt wurde und nun ein neues Dasein als Museum für die DDR-Kunst der Plattner-Sammlung gefunden hat. Bis Februar 2024 ist mit „I’ve Seen the Wall“ ein außergewöhnlicher Moment des DDR-Lebens Thema: die Tour des amerikanischen Jazztrompeters Louis Armstrong von 1965, bei der er 17 Konzerte in nur neun Tagen spielte. Zum Glück ist das Haus recht übersichtlich, sodass wir uns nach unserer eigenen Tour durch Potsdam einen Aperitif auf der Terrasse gönnen, bevor wir die Ausstellung besuchen. Den Abend verbringen wir dann in der Altstadt, ganz unbrandenburgisch bei Lodovico mit neapolitanischen Pizzen.

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