Mit Tricia Tuttle steht erstmals eine Frau allein an der Spitze der Berlinale. Den Alltag als Filmfestival-Chefin kennt die US-Amerikanerin schon gut. In Berlin macht die 53-Jährige ein großes Versprechen
Von
13.12.2023
Tricia Tuttles erste Worte als künftige Intendantin der Berlinale sind Bedauern und Ansage. „Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich kein Deutsch spreche“. Dann schiebt die 53-Jährige bei ihrer Vorstellung in Berlin am Dienstag mit trockenem Humor hinterher: „Ich verspreche, dass ich in einem Jahr so gut spreche, dass Sie sich über meinen Akzent lustig machen können.“ Die US-Amerikanerin tritt im April die Nachfolge der bisherigen Doppelspitze aus Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek an.
Damit ist die ehemalige Chefin des London Film Festivals BFI in der Geschichte der Berlinale die erste Frau allein an der Spitze. Sie steht vor einer großen Aufgabe: Das Filmfestival will in Zeiten finanzieller Engpässe weniger Filme zeigen und Sektionen streichen. Gleichzeitig möchte Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Berlinale in einer Liga mit renommierten Filmfestivals wie Cannes, Toronto und Venedig sehen.
Tuttle scheint sich dessen bewusst. Sie tritt selbstbewusst auf, trägt ein Nasenpiercing. Von sich selber sagt die 53-Jährige, sie sei verrückt nach Filmen und ein Kind der 1970er.
Tuttle kommt aus den USA, hat einen Masterabschluss in Film Studies und kennt den Alltag als Festivalchefin gut. Sie war in leitenden Positionen beim British Film Institute (BFI), der British Academy of Film and Television (BAFTA) und der National Film and Television School (NFTS) tätig, wo sie noch die Abteilung „Directing Fiction“ leitet.
Zuvor war sie Leiterin des BFI London Film Festivals und des Londoner LGBTQIA+ Filmfestival – die Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Intersexuelle, Queere und andere. Tuttle macht klar: „Ich liebe wirklich die strategische Arbeit, ein Festival zu leiten.“
Die Berlinale verfolge sie schon seit Ende der 1990er Jahre. „Wenn ich über das Erbe dieses Festivals nachdenke und anfange, die Gewinner des Goldenen Bären aufzuzählen, dann könnte man ewig weitermachen.“ Das Großereignis, das zwischen dem 15. bis zum 25. Februar 2024 wieder stattfinden soll, sei eng mit der Stadt verknüpft: „Berlin ist verspielt und sperrig, begeistert sich für Kunst und Ideen, ist intelligent und vielfältig.“
Ihre Ideen will die künftige Intendantin an den künstlerischen Werten des Festivals orientieren – und dabei auch ein Augenmerk auf den deutschen Film und deutsche Talente legen. „Es scheint eine sehr aufregende Zeit für das deutschsprachige Kino zu sein.“
Roth hatte vor einigen Monaten angekündigt, die Berlinale solle künftig nur noch von einer Person geleitet werden als Nachfolge für das bisherige Führungsduo aus Chatrian und Rissenbeek. Für die Nachfolge war eine Kommission unter Vorsitz von Roth auf der Suche nach einer geeigneten Person. Tuttle soll die Festivalleitung im April 2024 übernehmen. Bis dahin wolle sie vom Team lernen und bei der kommenden Ausgabe „unsichtbar“sein. (Gerd Roth und Sabrina Szameitat, dpa)