In dem Dokumentarfilm „I am a Noise“ spricht Joan Baez über ihr Leben als Folksängerin und politische Aktivistin. Es wird außerdem Licht auf ihre Rolle als Künstlerin geworfen
ShareMit einem Zitat von Gabriel García Marquez, dass jeder Mensch drei Leben habe – ein öffentliches, ein privates und ein geheimes – beginnt „I am a Noise“, der neue Film über Joan Baez. Und vielleicht trifft diese Bemerkung des kolumbianischen Schriftstellers tatsächlich auf niemanden mehr zu, als auf die amerikanische Folksängerin, die ab 1960 im Alter von 19 Jahren mit ihrer Wunderstimme sehr berühmt wurde. Zudem war ihr politisches Engagement besonders während der Sixities prominent, sie gab unzählige Interviews – und hielt dabei auch ihr Privatleben nicht von den Fernsehkameras fern. „I am a noise“ addiert dazu nun noch die Seite des geheimen Lebens, da Baez berichtet, wie ihr Dasein von Lampenfieber, Panikattacken und Neurosen begleitet war. Bemerkenswert offen gibt sich die Sängerin in dem knapp zweistündigen Film, die drei Regisseurinnen Miri Navasky, Karen O’Connor und Maeve O’Boyle konnten ihr recht nah kommen. Es gibt ganz wortwörtlich ein paar verschlossene Kisten mit Tonbändern und Briefen in einem Lagerraum in Baez’ Haus in Kalifornien, die nach und nach zusammen mit ihr ausgepackt werden.
„I am a Noise“ ist jedoch ein Film, der sich harmlos anschleicht: Er beginnt im Jahr 2000 mit Baez’ Vorbereitungen für ihre Abschiedstour. Die damals 79-Jährige schwimmt im Pool, steigt auf den Stepper. Wir sehen sie auch beim Gesangstraining, zusammen mit ihrem Hund. An der Wand ihres Wohnzimmers hängt dabei ein Porträt von Bob Dylan, das sie selbst gemalt hat. Die Stimmbänder seien ein Muskel, den man ständig in Übung halten müsse, sagt sie. Ihr früheres Volumen sei trotzdem leider nicht mehr zu erreichen, aufgrund ihres Alters. Die Ehrlichkeit der Selbsteinschätzung macht sie sympathisch, und ähnlich klar blickt sie auf ihr Leben, erwähnt die Rivalität mit ihren zwei Schwestern in ihrer Jugend, bilanziert die unglückliche Beziehung mit Dylan („Er brach wahrscheinlich mein Herz“) und spricht auch über ihre gescheiterte Ehe mit dem Journalisten und Kriegsdienstverweigerer David Harris, mit dem sie einen Sohn bekam.
Stationen ihrer musikalischen und aktivistischen Karriere werden in historischen Filmaufnahmen behandelt: Man sieht sie in gefüllten Konzertsälen und beim gemeinsamen Marschieren mit Martin Luther King und anderen Protagonisten des Civil Rights Movements. Ein paar Jahre später, während der Proteste gegen den Vietnamkrieg, sind die Kameras dabei, als sie in ein Polizeiauto steigt und ins Gefängnis gefahren wird. Sendungsbewusstsein und ihr Wille, zu ihren politischen Überzeugungen zu stehen, zeichneten Baez stets aus. Sie wird dafür noch heute bewundert, wie man in einigen Filmsequenzen aus ihrer Abschiedstournee sehen kann: Eine kleine Perle sind die gezeigten zwei Sekunden einer Begegnung von Baez und Hillary Clinton nach einem Konzert. Die gestandene Politikerin klatscht beim Anblick ihrer Heldin vor Freude in die Hände und ruft „Yay“ – als wäre sie eine Sechsjährige, der man gerade ein tolles Geschenk gemacht hat.
Im letzten Drittel bekommt „I am a Noise“ dann einen dunklen Unterton: Die Sängerin spricht über ihre Therapie und thematisiert vage Missbrauchserinnerungen innerhalb ihrer Familie, die ihre jüngere Schwester und sie selbst betreffen. Die verdrängten Erlebnisse verarbeitet sie bis heute mit Zeichnungen. Diese Werke, mal voller Emotion, mal eher satirisch-karikaturhaft, ziehen sich als eingestreute Kommentarebene durch den ganzen Film und offenbaren zum Schluss ihren ursprünglichen Sinn. Die durchaus faszinierende Rolle von Baez als Künstlerin, die sie heute nicht allein zu therapeutischen Zwecken ausübt, wird in „I am a Noise“ zwar nicht in größerem Umfang angesprochen, aber doch am Rande gezeigt. Man sieht Gemälde in ihrem Haus hängen oder im unfertigen Zustand auf der Staffelei in ihrem Atelier stehen. Es bleibt damit in der Erzählung von Baez’ Leben zumindest ein Kapitel nur angedeutet, über das man gerne ein wenig mehr erfahren hätte.
Übrigens: Der Film „Joan Baez – I am a Noise“ läuft ab dem 28. Dezember im Kino.
Wir verlosen ein Exemplar von Joan Baez‘ Kunstbuch „Am I Pretty When I Fly?: An Album of Upside Down Drawings“ inklusive zwei Kinofreikarten für „Joan Baez – I am a Noise“.
Für die Teilnahme schicken Sie uns bis zum 5. Januar 2024 eine E-Mail an online-redaktion@weltkunst.de.