Die Dresdner Galerie Kunstausstellung Kühl blickt auf ein rundes, bewegtes Jahrhundert zurück
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30.04.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 226
Als der Hannoveraner Heinrich Kühl 1924 am Neustädter Markt in Dresden seine Galerie gründete, hatte er schon wertvolle Erfahrungen gesammelt. Nach einer Buchhändlerlehre und Stationen in Hamburg und London hatte er einige Jahre in der Dresdner Galerie Ernst Arnold gearbeitet, eine hervorragende Adresse für die Avantgarde. Heute repräsentiert Heinrich Kühl (1886–1965) die erste von drei Generationen einer Familie, die die Galerie seit 1924 durch politisch und kulturell extrem bewegte Zeiten führt.
Im ersten Jahr zeigte er Chagall und Beckmann, die Brücke-Künstler und bald auch die abstrakte Kunst von El Lissitzky. Klanghafte Namen wie Man Ray, Kurt Schwitters und Piet Mondrian folgten, dann Hermann Glöckner und Hans Hartung. Zwischendurch präsentierte Kühl immer wieder alte asiatische Kunst, etwa chinesische Bronzen oder japanische Farbholzschnitte. Auf dieses Faible des Galeristen deutet Rudolf Nehmer in seinem Kühn-Porträt mit dem chinesischen Rollbild im Hintergrund hin. Mit Werken von Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz und Otto Dix beglückte Kühl in den Zwanzigerjahren zum Beispiel das Sammlerpaar Ida und Friedrich Bienert. Doch mit Hitlers Machtergreifung ging es der Moderne an den Kragen. Das Programm der Galerie, die nun in die Kleine Brüdergasse zog, büßte ihre Internationalität ein. Doch auch zur Nazizeit konnte man hier „entartete Kunst“, etwa von Dix, Karl Hofer oder Paul Klee, erwerben, Heinrichs Sohn Johannes Kühl erinnerte sich später, dass es für „spezielle Kunden“ einen eigenen kleinen Büroraum gegeben habe.
Bomben und Feuer vernichteten im Februar 1945 alles, das Inventar mit Grafik, Malerei und Skulptur, das Mobiliar, das Firmenarchiv. Im Jahr darauf machte Heinrich Kühl weiter, in der Zittauer Straße 12, mit Karl Otto Götz, E. W. Nay und Hermann Glöckner – und er stand zu seinem Programm, auch als die DDR dogmatischer wurde. Sein Sohn und Nachfolger zeigte nun auch Gerhard Altenbourg, Max Uhlig und Gerda Lepke. Der Publizist Hans-Peter Lühr, der die Galerie seit den Siebzigerjahren kennt, erinnert sich hier an Sternstunden mit dem „kultivierten alten Dresdner Bürgertum“. Für Johannes Kühl, schreibt er, war es wohl auch ein „heimlicher Eiertanz mit der Macht“. Bis Mitte Januar widmete das Lindenau-Museum in Altenburg dem Galeriebetrieb Kühl eine eigene Ausstellung – mehr als 30 Werke, etwa von Ludwig von Hofmann oder Carl Lohse, erwarb das Museum seit den Fünfzigerjahren hier. Und erst kürzlich stellte das Albertinum ein Forschungsprojekt zum privaten Kunsthandel nach 1945 in Dresden vor, das selbstverständlich auch die vielfältigen künstlerischen Initiativen der Herren Kühl dokumentiert.
1994 übernahm Johannes’ Tochter Sophia-Therese Schmidt die Leitung der Galerie. Auch sie musste wieder neue Räume finden und zeigt jetzt in der Nordstraße vor allem Gegenwartskunst mit regionalem Schwerpunkt. Ab 4. Mai beginnt die Jubiläumsausstellung – und mit ihr ein ganzer Reigen von Veranstaltungen.