Bild des Tages

Verführerische Plakate

Swann Galleries New York versteigert historische Plakate mit sowohl kriegerischen als auch sportlichen Motiven

Von Peter Dittmar
31.07.2024
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 12/24

Frederic haben wir ihm zu verdanken. Jenen Mäuserich, der im Sommer Sonnenstrahlen, Farben und Wörter sammelt, und der damit dann im traurig kalten Winter die Mäusefamilie aufmuntert. Auch Swimmy, den kleinen schwarzen Fisch, der einem Schwarm lehrt, wie man der Fressgier der großen Fische im Meer entgehen kann, hat er ersonnen. In diesen, wie in allen seinen Bilderbüchern, begegnet man Leo Lionni (1910–1999) als einem Maler und Geschichtenerfinder, der überzeugt ist, dass man friedlich miteinander auskommen kann. Oder doch auskommen sollte.

Deshalb erstaunt es ein wenig, wenn Swann in der Online-Plakat-Auktion vom 25. Juli bis 8. August vier Plakate von Lionni anbietet, die kriegerisch daherkommen. „Keep ’em rolling“ fordern sie. Und dazu erscheinen auf den roten und weißen Streifen der amerikanischen Fahne Geschütze, Panzer, Schnellboote und Flieger, während das blaue, sonst den Sternen vorbehaltene Feld, Arbeiter zeigt, die diese Waffen produzieren. Diese Plakate sollten den Amerikanern bewusst machen, dass ihre Soldaten nach Pearl Harbour und dem Kriegseintritt gegen Deutschland ihrer Unterstützung bedürfen. 1941 hatte sie Lionni entworfen, damals ein geachteter Art Director und noch weit von seiner Bilderbuchzeit entfernt. In seiner Autobiografie, die er als fast Neunzigjähriger für seine Enkel und Urenkel schrieb, kommt dieses Kapitel nicht vor. Ideologische Bauchschmerzen plagten ihn, der in seiner Jugend mit den Kommunisten in Italien sympathisierte und deshalb das Land Mussolinis gen Amerika verlassen hatte, deshalb nicht. Auf 4000 Dollar schätzt Swann dieses Quartett der Einsicht in das politisch (und militärisch) Notwendige.

Die Auktion gibt sich jedoch nicht nur kriegsverbunden. Wie stets kommt auch die Plakatwelt, die allerhand Annehmlichkeiten verspricht, zu ihrem Recht. Und wenn da „Etretat” zu lesen ist, geht es nicht um die bizarren Felsen an der Küste der Normandie, die als Motiv für Gemälde von Courbet, Delacroix, Monet, Manet, Boudin, Degas etc. dienten. Da wirbt nur eine Radfahrerin samt Racket im Vorder- und den Falaises d’Etretat im Hintergrund für den Tennis Club des Seebades, das mit dem „Chemins de fer de l’ouest a 4 heures de Paris“ zu erreichen sei. Ferdinand Lunel, ein Schüler von Jean-Léon Géròme, dessen Zuschläge für seine Tourismusplakate selten ins Vierstellige vordringen, hat es 1896 entworfen. Bei Swann ist es jedoch auf 2000 Dollar geschätzt.

Service

Auktion

SWANN GALLERIES

New York

Online-Auktion: 25. Juli bis 8. August

Besichtigung: 3. bis 7. August

swanngalleries.com

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