Die Berliner Galerie Thomas Schulte zeigt Fotografien von Robert Mapplethorpe – und lenkt den Blick auf Details, die man angesichts seiner überwältigenden Motive schnell übersieht
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14.08.2024
Die Zeit ist nicht einfach über die Bilder von Robert Mapplethorpe hinweggegangen. Seine Akte verkörpern eine andere Ära: In den 1980er Jahren zelebrierte der US-amerikanische Künstler die Schönheit des Körpers. Männer standen in Mapplethorpes Fokus, aber auch der muskulöse Körper einer Bodybuilderin schaffte es in seine penibel inszenierte, hoch ästhetische Schwarz-Weiß-Fotografie.
Vier Jahrzehnte später wirken die Motive zwar immer noch unfassbar perfekt, aber auch ein bisschen overdone. So unverstellt bruchlos, zumal in der Berliner Galerie Thomas Schulte auf jene pornografischen und S/M-Aufnahmen verzichtet wird, die seit Mapplethorpes frühem Aids-Tod 1989 – und auch davor schon – für Eklats gesorgt haben. Dennoch wird die aktuelle Ausstellung „Behold the Lowly Wessel“ zum Erlebnis – allein schon, weil sie noch einmal eine Zeit vergegenwärtigt, in der man jede heutige Konnotation außer Acht ließ: kritische Fragen nach physischer Idealisierung etwa oder die nach dem Blick auf den Schwarzen Körper. In der Rückschau zeigt sich eine Naivität, die selbst schon historisch ist.
Ihr altes Gewicht bekommen diese Bilder in der Ausstellung im Dialog mit den Stillleben. Wie Mapplethorpe, der ab den späten Siebzigerjahren vom enfant terrible der zeitgenössischen Fotografie zu ihrer Ikone aufstieg und mit dem Cover für das Album „Horses“ von Patti Smith auch die musikalische Alternative-Szene für sich einnahm, visuelle Analogien herstellt, ist schon ziemlich einzigartig. Blumen wie Körper scheinen zu schweben, bewegen sich wie unter Wasser sanft gewellt in dieselbe Richtung. Diesen Gleichklang erkennt man nur in der Gegenüberstellung, der Künstler trennte streng zwischen der Erotik des Körpers und der Sinnlichkeit der Pflanzen.
Letztere werden dafür immer wieder von Gefäßen begleitet – und genau darauf verweist die Galerie in ihrer aktuellen Schau. Mit Dimitri Levas hat sie jenen großen Sammler italienischer Glaskunst als Kurator engagiert, der Mapplethorpe ab 1982 die ausgesuchten Objekte für seine Fotografien besorgte. Beide begeisterten sich für Kunst und Design, Levas kaufte auf Flohmärkten wie in Galerien. Manche der Gefäße gingen an seinen engen Freund, andere behielt er selbst.
Für „Behold the Lowly Wessel“ startete der heute 73-Jährige seine eigene Recherche: Er identifizierte einen ganzen Teil der – heute als Vintage-Objekte gesuchten – Vasen und Schalen auf Mapplethorpes Fotografien und stellte entweder die gleichen oder aber ähnliche Objekte zur Verfügung. So weitet sich die Ausstellung in den Raum, ermöglicht eine Reise zurück in die Ära Mapplethorpe und Levas – und konzentriert sich ebenso auf ein lang unterschätztes Detail der berühmten Bilder. Die Zeit ist reif für seine Erkundung.
Robert Mapplethorpe – „Behold the lowly Vessel“,
Galerie Thomas Schulte, Berlin,
bis 24. August