Das Kunstmuseum Gelsenkirchen präsentiert zum 40. Jubiläum seine Sammlung neu – und lässt nicht nur die kinetische Kunst wieder klingen und leuchten
Von
17.09.2024
Unter den Ruhrkunstmuseen, einem Verbund von 21 Häusern in 15 Städten des Ruhrgebiets, das Schwergewichte wie das Folkwang in Essen oder Stararchitekten-Ensembles wie das MKM in Duisburg umfasst, war das Kunstmuseum Gelsenkirchen eher ein Stiefkind. Baulich aus einer Gründerzeitvilla und einem Achtzigerjahre-Bau bestehend, liegt es wenig repräsentativ nahe der Fußgängerzone des Stadtteils Buer. Drinnen schlummerte die Sammlung lange im Dornröschenschlaf, im dumpfen Schallschutz teppichbezogener Wände und niedriger Decken.
Aus diesem Schlaf sind das Haus und die Sammlung nun erwacht. Aufgeweckt durch die neue Direktorin Julia Höner, die seit Dezember 2022 mit ersten kleinen interessanten Ausstellungen die Aufmerksamkeit auf das Museum lenkte und nun ihren großen Wurf präsentiert. Passend zum 40-jährigen Geburtstag des Neubaus hat sie in nur knapp einem Jahr das ganze Haus neu gestalten und teilweise um- und rückbauen lassen. Unter dem schönen Motto „Das alles haben wir“ kann die Sammlung, die so lange im Schatten lag, jetzt endlich wieder leuchten und wachsen. Kernstück der Gelsenkirchener Sammlung sind gut 80 Werke kinetischer Kunst seit den 1970er-Jahren, die in dieser Konzentration so selten zu finden ist. Rotierende Silberplättchen von Heinz Mack, metallene Briefkastendeckel von Rolf Glasmeier, die sich interaktiv zu immer neuen Formationen auf- und zuklappen lassen, oder motorisierte Farbreihen von Carlos Cruz-Diez wurden klug ergänzt durch Leihgaben von Künstlerinnen wie Rebecca Horn oder Haegue Yang, die den Blick weiten und fürs heute öffnen.
Auch die Gemälde- und Grafiksammlung, Letztere umfasst immerhin rund 3000 Blätter, wurden zu neuen spannenden Erzählsträngen und Blickachsen gruppiert. Gerhard Richter trifft auf René Magritte, Yayoi Kusama und Fotografien von Anton Stankowski. Hannah Höchs malerische Visionen von Bewegung und Aufbruch aus den 1920er-Jahren bildet das Entree zur Kinetik der Sixties und Seventies. Das alles würdigt auch den progressiven Geist der einst so modernen Arbeiterstadt Gelsenkirchen, die seit dem Strukturwandel der Achtzigerjahre unter die Räder gekommen ist – und bringt ihn hoffentlich zurück.
„Das Alles haben wir: Die Sammlung für Gelsenkirchen“
im Kunstmuseum Gelsenkirchen
bis zum 31.12.2025