Louvre

Lob auf die Torheit

In Paris versammeln sich die Narren der Kunstgeschichte in einer großen Ausstellung

Von Tim Ackermann
14.11.2024
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 234

Weil Kaiser und Könige Malerstars wie Dürer, Hans Holbein und Tizian beschäftigten, blicken wir heute mit Bewunderung auf die Porträts gekrönter Häupter. Ein Dasein abseits unser Aufmerksamkeit fristet dagegen eine andere Figur des Hofs – weil sie von weniger bekannten Händen verewigt wurde. Die Rede ist vom Narren. Mit einer Schau von 300 Werken wagt der Pariser Louvre die überfällige Würdigung des fou, der populären Figur des Närrischen in der Kunst des Mittelalters und der Renaissance.

Seine ersten Auftritte hat der Narr als Illumination in Psaltern ab dem 13. Jahrhundert, wo er im Umfeld des Buchstabens D erscheint: „Dixit insipiens in corde suo non est deus“ beginnt Psalm 52/53 – „Der Tor sagt in seinem Herzen: ‚Es gibt keinen Gott.‘“ Der Psalter des Jean de France, Herzog von Berry, von 1386 zeigt den Leugner noch in unsittliche Lumpen gehüllt, aber bereits mit seiner Marotte in der Hand, dem zepterähnlichen Narrenstab. Im Psalter Karls VIII. (um 1492) trägt der Tor dann schon die typische Kluft aus buntem Mi-parti, Schnabelschuhen und Schellenkappe, die den Possenreißer auf den städtischen Märkten dieser Zeit zur wiedererkennbaren Erscheinung machte.

Im nahtlosen Anschluss an den gespielten Gegenpart zum weisen König, den der Narr bei Hof annahm, trat er im 16. Jahrhundert vermehrt auch im urbanen Umfeld als institutionalisierter Regelbrecher auf. Wobei seine Übertretungen häufig mit Lust und Erotik assoziiert wurden: Aus Kleve angereist ist Arnt van Trichts geschnitzter „Handtuchhalter mit Liebespaar“ (um 1535–1540), der dem Narrenstab nicht nur eine Funktion als Trockengestell zuschreibt. Und dass die Liebe selbst Philosophen in Toren verwandelt,

Wenn die Liebe verrücktspielt: Aquamanile in Form von Aristoteles und Phyllis, südliche Niederlande, spätes 14. Jh. /frühes 15. Jh. erzählt die Dichtung von „Aristoteles und Phyllis“ aus dem 13. Jahrhundert, in der die junge Aristokratin den vernarrten Weisen zu ihrem Reittier macht. Ab 1600 gewinnt dann mit der Neuzeit die Vernunft die Oberhand. Der Narr verschwindet als Figur aus den Städten – und bleibt doch als Erinnerung in den Bildern erhalten.

Aquamarine in Form von Aristoteles und Phyllis, südliche Niederlande, spätes 14. Jh/ frühes 15. Jh.
Aquamarine in Form von Aristoteles und Phyllis, südliche Niederlande, spätes 14. Jh/ frühes 15. Jh. © The Metropolitan Museum of Art, New York

Service

AUSSTELLUNG

„Figures de Fou – Du Moyen Âge aux Romantiques“

im Louvre, Paris

bis 3. Februar 2025

louvre.fr/en

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