Christoph Büchel in Venedig

Was von der Biennale übrig bleibt

Der Schweizer Künstler Christoph Büchel erregte mit seiner Schau „Monte di Pietà“ auf der Kunstbiennale Aufsehen. Nun gibt er Geldkarten mit virtueller Währung an die venezianische Bevölkerung aus

Von Petra Schaefer
19.11.2024

Wenn am Montag, dem 25. November 2024, der Abbau der diesjährigen Venedig-Biennale beginnt, schließen auch die zahlreichen parallelen Ausstellungen und Collateral-Events ihre Pforten. In der Fondazione Prada endet auch das Narrativ des fiktiven Pfandleihauses Monte di Pietà des Schweizer Künstlers Christoph Büchel. Die vielbeachtete immersive Präsentation, die epochen- und kontinenteübergreifend die vielschichtigen Aspekte des Geld- und Schuld-Diskurses beleuchtet, wird allerdings nicht, wie im Ausstellungsführer angekündigt, in einer finalen Auktion kulminieren. Stattdessen werden die zahlreichen Objekte, darunter Gemälde, Skulpturen, Ready-mades, Kleiderhaufen, Münzen, Keramiken, Skier und eine Heimorgel, aus dem Palazzo Corner della Regina abtransportiert und gestiftet.

Christoph Büchel spielt mit dem Geldwert in Venedig

Bleiben aber wird eine virtuelle Ebene, die Christoph Büchel im niedrigen und verbarrikadierten Mezzaningeschoss des Palazzos haptisch erfahrbar präsentiert: Dort erzählt er vom Mining der neuen SDM, von Token, die alle, die in Venedig leben, an seinem Projekt ideell beteiligen. Denn wer bis zum letzten Ausstellungstag eine Wohnadresse in der Lagunenstadt nachweisen kann, erhält eine silbergraue Karte mit 100.000 SDM, über deren fiktiven Wert die Website www.scheivenezia.com informiert. Dort erfährt man auch mehr über die Geschichte des Akronyms, das für den venezianischen Begriff Schei de Mona steht. Als Venedig nach dem Wiener Kongress im Jahr 1815 als Teil des Königreich Lombardo-Venetien zum Kaisertum Österreich gehörte, war rund vierzig Jahre lang die Scheidemünze der gültige Geldwert. Schei de Mona ist daher ein Lehnwort, das aus dem Deutschen ins Venezianische gewandert ist und weiterhin im örtlichen Dialekt als Synonym für Geld verwendet wird. 

Palazzo Corner della Regina Fondazione Prada veneid Biennale
Der Palazzo Corner della Regina in Venedig, den Christoph Büchel zur Biennale in ein Pfandleihhaus verwandelt hat. © Christoph Büchel

Einen aktuellen Bezug zum heutigen Leben in Venedig schafft Christoph Büchel auch seiner Regina dei Schei, der Königin des Geldes, die als Anspielung auf die ehemalige Königin von Zypern Caterina Cornaro zu verstehen ist, deren venezianischer Familie einst der Palast, in dem sich heute die Prada-Stiftung befindet, gehörte. Büchels Filmfigur, die in der Ausstellung über den Bildschirm läuft, kann man auch auf Tik Tok folgen. Dort erzählt die rüstige ältere Dame in mehreren Folgen vom Leben in Venedig zwischen Übertourismus und Kultur, den beiden derzeit wichtigsten ökonomischen Faktoren der Biennale-Stadt, was Miuccia Prada im Katalog zur Ausstellung nachdrücklich betont.

Token als Warnung vor Bevölkerungsverlust

Mit der Verteilung von Token an die venezianische Bevölkerung setzt Büchel nicht nur punktuell ein Zeichen, denn das Projekt soll weiterlaufen. Am Stichtag 25. November 2024 werden alle nicht verteilten Token verbrannt, sodass sich die Menge verringert und der ideelle Wert steigt. Weitere Faktoren, die die Venezianer Aktien beeinflussen, werden zukünftig unter anderem die Einwohnerzahlen sein – derzeit leben weniger als 50.000 Menschen im historischen Zentrum. Was bleibt, ist Büchels Interesse an der Stadt, die zunehmend an Bürgerinnen und Bürgern verliert. Was man auch daran erkennt, dass immer mehr Geschäfte verschwinden und durch ATMs, durch Geldautomaten mit horrenden Gebühren, ersetzt werden.

Schei de Mona Venedig Christoph Büchel
Unsere Autorin mit der Geldkarte „Schei de Mona“, die Christoph Büchel an Venezianer und Venezianerinnen ausgeben ließ. © privat

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