Was im Museum ist, gehört dort auch hin. Diese Einstellung hat sich inzwischen vielfach gewandelt. Museen und Bibliotheken spüren der Herkunft ihrer Bestände nach – und geben sie teils zurück
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09.12.2024
Die Bereitschaft und die Anstrengungen deutscher Museen und Bibliotheken, in ihren Beständen nach NS-Raubgut zu suchen, haben sich aus Sicht des Vorstands des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste deutlich verstärkt. „Es hat sich einiges getan. Man muss dazu sagen, natürlich ist das noch nicht genug“, sagte Gilbert Lupfer der Deutschen Presse-Agentur in Magdeburg. Kleine Heimatmuseen seien bei der Provenienzforschung genauso dabei wie große Häuser und Universitätssammlungen. „Ich denke, die Suche nach NS-Raubgut wird inzwischen in den meisten Museen ernst genommen.“
Provenienzforschung in Deutschland basiere wesentlich auf der Förderung durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, das Bundesmittel als Projektförderung weitergebe. Das Zentrum feiert am Dienstag in Magdeburg sein zehnjähriges Bestehen. Bund, alle Länder sowie kommunale Spitzenverbände hatten das Zentrum zum 1. Januar 2015 als Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Magdeburg gegründet. Seit 1998 hatte es dort schon die Koordinierungsstelle der Länder für die Rückführung von Kulturgütern gegeben.
Seit seiner Gründung bewilligte das Zentrum eigenen Angaben zufolge Projekte für fast 60 Millionen Euro. Mehr als 43 Millionen Euro davon flossen in die Provenienzforschung zu NS-Raubgut. Mithilfe der Förderung können Einrichtungen im Rahmen eines Projekts bestimmte Bestände untersuchen, die Raubgut enthalten könnten. Dabei wird überprüft, ob es sich um Kulturgut handelt, das seinen ursprünglichen Besitzern unrechtmäßig entzogen wurde.
Betroffene Objekte werden in vielen Fällen zurückgegeben. Bis Ende November waren dem Zentrum 9.715 museale Objekte sowie 34.204 Bibliotheksgüter und Archivalien bekannt, die seit Kriegsende an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben wurden.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste bietet vor allem für kleinere Einrichtungen auch sogenannte Erstchecks an. Mit denen soll festgestellt werden, ob ein Verdacht auf Raubgut in einem Sammlungsbestand vorliegt. Das Zentrum betreibt zudem die Datenbank „Lost Art“, mit der frühere Eigentümer oder ihre Erben mit den heutigen Besitzern des NS-Raubguts zusammengeführt werden sollen. Die Online-Datenbank Proveana macht die Ergebnisse der geförderten Projekte transparent.
„Das große Problem ist dann, dass nach Ende des Projekts in der Regel die Provenienzforscherin ausscheidet, woanders hingeht und dadurch Wissen verloren geht“, sagte Lupfer. Das sei auch nicht eins zu eins in einem Abschlussbericht zu fassen.
Schwerpunkt des Zentrums ist die Förderung der Erforschung von Objekten, die ihren meist jüdischen Besitzern im Nationalsozialismus entzogen worden sein könnten. 2017 begann zudem die Grundlagenforschung mit Blick auf die Zeit der DDR und der Sowjetisch besetzten Zone (SBZ). Auf diesem Gebiet gibt es bisher 26 Kooperationen, um Strukturen und Quellen zu erforschen. Einzelfallforschungen gibt es bislang nicht.
Außerdem wurde das Spektrum 2019 um den kritischen Blick auf Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten ergänzt. Dem Zentrum zufolge gab es in diesem Bereich 84 Projekte mit Mitteln in Höhe von rund 11,8 Millionen Euro. Dabei werden Objekte und menschliche Überreste aus verschiedenen Sammlungen untersucht – neben ethnologischen können das auch naturkundliche, anatomische oder archäologische Sammlungen sein.
Insbesondere bei den später hinzugekommenen Themenkomplexen sieht Vorstand Lupfer noch Nachholbedarf. „Die systematische Suche nach Objekten und menschlichen Überresten, die in der Kolonialzeit geraubt wurden, hat erst vor wenigen Jahren begonnen“, sagte er. Im Bereich NS-Raubgut seien öffentliche Institutionen zwar sensibilisiert, private Sammler jedoch seien noch sehr zurückhaltend damit, ihre Bestände zu untersuchen und Projektförderung in Anspruch zu nehmen. „Das ist ganz wenig, was wir da bisher fördern. Das ist eigentlich der einzige Bereich, wo ich sagen würde, da hat sich in den letzten Jahren nichts entwickelt.“ (dpa)