In diesem Monat freuen wir uns auf Meisterzeichnungen in Wien, entdecken die Fotocollagen von Frida Orupabo in Oslo und tauchen ein in die Bildwelten von Lee Kit in Kassel
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04.03.2025
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 238
Saarlandmuseum, Saarbrücken, bis 18. Mai
Dass sich die Kunstgeschichte der Moderne auch allein mit weiblichen Positionen schlüssig schreiben ließe, sollte heute allgemeiner Wissensstandard sein. Vor Augen führt dies das Saarlandmuseum mit der Schau „Radikal! Künstlerinnen* und Moderne 1910–1950“, die Werke diverser Strömungen, etwa von Sonia Delaunay, Natalia Gontscharowa, Hannah Höch, Käthe Kollwitz oder Fahrelnissa Zeid zusammenbringt. Das Sternchen im Titel zeigt an, dass auch Menschen wie Claude Cahun einbezogen sind, die ein fluideres Gender wählten.
Albertina, Wien, 7. März bis 9. Juni
Papier ist ein leichtes, nur allzu oft unbeständiges Material, nicht gemacht für Wind und Wetter. Doch bei guter Aufbewahrung überdauert es Jahrhunderte – und kann uns bei der Betrachtung den höchsten Kunstgenuss bereiten. Die Sammlung der Albertina in Wien spielt, was Zeichnungen angeht, weltweit ohnehin schon in der Spitzenliga. Nun kommen für die aktuelle Sonderausstellung „Leonardo – Dürer. Meisterzeichnungen auf farbigem Grund“ noch kostbare Renaissance-Blätter aus dem Louvre und anderen Schatzhäusern hinzu. Das farbige Papier – eine originelle Idee als Ausgangspunkt für eine Ausstellung – ermöglichte den Künstlern beim Zeichnen sowohl mit Linien zu arbeiten, die heller als die Grundierung sind und somit als Höhung erscheinen, als auch mit dunkleren Linien, die Tiefe suggerieren, und somit auf die dreidimensionale Erfahrung abzielen. Auf Albrecht Dürers „Kopf eines Laute spielenden Engels“ von 1506 – auf graublauem Papier – trifft nun Leonardos kurz zuvor entstandener „Stehender männlicher Akt“ aus der Sammlung des englischen Königs in Windsor Castle – in rostroter Tönung. Dunkelbraun ist der Grund für Hans Baldung Griens herrlichen „Hexensabbat“, vor kräftigem Blau beten Dürers berühmte Hände. Um 1430, ungefähr zur selben Zeit, als Pisanello in Italien ein nacktes Modell mit Afro-Frisur als „Allegorie der Luxuria“ zeichnete, schuf ein anonymer oberrheinischer Meister das „Musterblatt mit Evangelistensymbolen, Tieren und Wildem Mann“ mit weißen Linien auf schwarzem Papier – eine Leihgabe aus dem Städel in Frankfurt. Es ist ein Gipfeltreffen der Renaissance, und eine einmalige Gelegenheit, diese Werke zusammen zu sehen. Lange dürfen sie dem Licht nicht ausgesetzt sein, denn sie sollen noch weitere Jahrhunderte erhalten bleiben.
Fridericianum, Kassel, bis 15. Juni
Mit einem großen Museum, einer Messe und zahlreichen Megagalerien importiert Hongkong jede Menge Kunst. Der Export dortiger Kunst ist dagegen sehr gering. Zu den wenigen bekannten Kunstschaffenden, die in Hongkong geboren wurden, gehört Lee Kit. Seit einer Weile in Taipeh lebend, steht Lee für Werke, deren Rezeption auf unterschiedliche Weise erfolgen kann: Ein mit Quadratmuster bemalter Stoff taugt bei ihm ebenso gut als abstraktes Gemälde wie als Protestbanner oder Picknickdecke – wie: „Sunday Afternoon: Picnic with friends and hand-painted cloth at Yung Shu O, Sai Kung, Hong Kong“ (2003). Auf leise Weise ruft Lee zur Revolution des Sehens auf.
Knauf-Museum, Iphofen, 30. März bis 6. Juli
Knäufe würde man im Knauf-Museum erwarten – doch tatsächlich wurde der Barockbau in Iphofen nach einem Mäzen, dem Gipsfabrikanten Alfons N. Knauf, benannt. Und der kaufte lieber Gipsrepliken bedeutender Kunstwerke seit der Antike an. Da das Haus allerdings auch regelmäßig mit Sonderschauen punktet, ist ab März tatsächlich – wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung – die Sammlung Dennerlein mit Spazierstöcken aus drei Jahrhunderten zu Gast. Reizvoll bis scherzhaft erscheinen die Verzierungen dieser kunstvollen Gehhilfen. Egal ob es sich nun um „Die Schlaue Katze“ (um 1890) an einem englischen Exemplar handelt oder um jenen silbernen Mädchenkopf mit Diadem, der um 1900 einen französischen Jugendstilschirm vollendete.
Museum Folkwang, Essen, bis 27. April
Die jugendlichen Skater und Herumtreiber, die gemütlich in der Sonne abhängen – hat Paul Grund sie wirklich erst 2022 für seine Serie „Blemishes“ fotografiert? Von der Mode und den krisseligen Schwarz-Weiß-Bildern her geurteilt, würden die Kids auch in die Neunzigerjahre passen, als das Board zur Grundausstattung juveniler In-den-Tag-Hineinleb-Attitüde gehörte. Mit der Ausstellung „Walk this Way“ zeigen Yusuf Hassan/BlackMass Publishing, wie fünf Dekaden Hip-Hop und Street-Culture unsere Alltagsästhetik so nahtlos geprägt haben, dass heute wie gestern wirkt und gestern wie morgen.
Astrup Fearnley Museet, Oslo, bis 27. April
Einen der besten Beiträge zur postkolonialen Kunst in den vergangenen Jahren hat Frida Orupabo beigesteuert. Auf sehr intelligente Weise kreisen ihre Fotocollagen um das Thema der schwarzen Identität. Die 1986 geborene Norwegerin nutzt dazu gezielt das Bildmaterial des westlichen Kolonialismus: Mit der Schere sorgsam komponiert, entstehen hybride Wesen, die zugleich die Schablonenhaftigkeit des weißen Blicks offenlegen. Die Schau in ihrer Heimatstadt Oslo zeigt Werke aus der vorherigen Station in der Bonniers Konsthall, Stockholm (2024). Eine weitere Ausstellung der Künstlerin ist ab 5. April im Sprengel Museum Hannover zu sehen.
Pinakothek der Moderne, München, bis 13. April
Wenn jahrhundertealte Papierarbeiten für eine Weile das schützende Dunkel des Depots verlassen dürfen, ist das stets ein Fest für Kunstfreunde. So auch in der Pinakothek der Moderne, wo die Staatlichen Graphischen Sammlungen München nun eine Auswahl an italienischen Zeichnungen von der Renaissance bis zum Spätbarock präsentieren. Viele der herrlichen Blätter konzentrieren sich auf den empirisch wahrnehmbaren Menschen, so wie Jacopo Amigonis „Männliche Kopfstudie im Profil nach rechts“ (um 1720) oder Michelangelos so anatomisch präzise wie künstlerisch virtuose Studie „Skelett einer Hand mit Unterarm, männlicher Torso, rechter Unterarm“.