Kunsthandel

Branding heißt das Zauberwort

Die Nachfrage bestimmt den Preis? Das mag durchaus für andere Märkte zutreffen. Nach welchen Gesetzen der Kunstmarkt arbeitet…

Von Michael Lassmann
12.03.2016

Die Nachfrage bestimmt den Preis? Das mag durchaus für andere Märkte zutreffen, jedoch nur mit Einschränkungen für den Kunstmarkt. Das gilt erst recht im weiter expandierenden Segment der Zeitgenossen, das lockere Gewinnmitnahmen verspricht und daher besonders spekulationsanfällig ist. Hier stieg der Preisindex denn auch trotz geringfügig rückläufiger Auktionsumsätze seit 2014 abermals um 30 Prozent, verglichen mit den vor der Jahrtausendwende geschriebenen Zahlen sogar um 1800 Prozent. Und dieser rasante Aufschwung ist mit dem naiven Glauben an das Regulativ der Nachfrage wohl kaum noch zu erklären. Maßgeblich beteiligt an der anscheinend unaufhaltsamen Entwicklung ist bekanntermaßen eine relativ kleine „Pressure Group“ aus finanzkräftigen, im übrigen schemenhaft bleibenden Investoren und einer Handvoll international operierender Galerien. Und Marktführer wie Larry Gagosian, Hauser & Wirth oder David Zwirner entscheiden letztlich auch darüber, welche Gegenwartskünstler sich nachhaltig auf dem Sekundärmarkt positionieren können. Vorzugsweise handelt es sich dabei natürlich um Namen aus dem eigenen Portfolio, die in der Spitzengruppe der höchstbewerteten Künstler denn auch überproportional vertreten sind; darunter solche Zugpferde wie Jean-Michel Basquiat, Christopher Wool und Jeff Koons, mit denen allein in den USA nahezu die Hälfte des Umsatzes im Contemporary-Bereich eingefahren wird. Wo die entsprechende Zugkraft noch fehlt, gibt es natürlich eine Lösung: Branding heißt das Zauberwort. Oft wird es ein wenig abwertend gebraucht, gerade von der Konkurrenz, der es nicht vergönnt ist, in der ersten Liga mitzuspielen. Aber ein tragfähiges Markenprofil für einen Künstler aufzubauen, ist zweifellos eine Kunst für sich – auch wenn sich die einschlägigen Maßnahmenkataloge, die zum Erfolg führen sollen, vermutlich überall gleichen. Was die Elite der Top-Händler von ihren Mitbewerbern unterscheidet: Sie können eben noch engmaschigere Netzwerke mit noch wichtigeren Kuratoren, Meinungsmachern und Sammlern bieten, noch mehr Medienaufmerksamkeit für die nötige Präsenz auf internationalen Messen, Ausstellungen und Wettbewerben generieren, noch aufwändigere Kataloge produzieren, die ihnen gleichzeitig Deutungshoheit über das eigene Produkt sichern. Und am wichtigsten: Wenn es darum geht, besonders aussichtsreiche Künstler auf dem Sekundärmarkt zu etablieren, fehlt auch die entsprechende Kapitaldecke nicht, um der anfangs manchmal noch recht zaghaften Preisentwicklung effizient auf die Sprünge zu helfen. Manipulation etwa? Honni soit qui mal y pense. Doch lassen vor nicht allzu langer Zeit im Zuge eines Rechtsstreits mit Klienten durchgesickerte Informationen über die Geschäftspraktiken von Larry Gagosian zumindest vermuten, dass der Ethos des königlichen Kaufmanns im Kunsthandel ab und an durchaus verzichtbar ist.

Ein dankbares Betätigungsfeld bietet aktuell auch die blühende Landschaft der aus dem Boden sprießenden jungen Museen, die augen- blicklich einen derartigen Boom erleben, dass man längst das Unwort „Museumsindustrie“ dafür gefunden hat. In den letzten 15 Jahren gab es mehr Neugründungen als im 19. und 20. Jahrhundert zusammen, wenn auch viele davon in Asien erfolgten. An die 700 sollen allein seit 2014 da- zugekommen sein, und nicht ausschließlich sind sie darauf beschränkt, bereits bestehende Sammlungen aufzunehmen. Vornehmlich privat finanzierte Museen können es sich leisten, als Big Spender aufzutreten, und schicken ihre Einkäufer erst mal ausgiebig shoppen, bevor auch sie irgendwann von der lähmenden Alltagstristesse schmaler Budgets eingeholt werden. Die großen öffentlichen Sammlungen können mit ihren notorisch knappen Mitteln da nicht mithalten, doch ohnehin kommt ihnen in der Marktstrategie der Power-Player eine andere, wichtigere Funktion zu. Denn museale Weihen durch eine Ausstellungspräsenz in der Tate, im MoMA, MoCA, Guggenheim oder Whitney Museum verleihen dem sorgfältig aufgebauten Brand ihrer Schützlinge erst das wertige High-Gloss-Finish, wenn schon der große Auftritt auf der Biennale in Venedig nicht immer realisierbar ist. Und da selbst der ehrgeizigste Karriere-Fahrplan nicht in jedem Fall schnurstracks zum Adelsschlag durch einen Turner Prize (Tate), Hugo-Boss-Prize (Guggenheim) oder Bucksbaum Award (Whitney) samt der damit meist verbundenen One-Man-Show führt, sind einige Händler dazu übergegangen, Sammler beim Kauf eines Kunstobjekts vorsorglich darauf zu verpflichten, ein weiteres Exemplar von der Hand des Künstlers zu übernehmen, das dem jeweils in Betracht gezogenen Museum als Schenkung anzudienen ist. Dort allerdings kommt nicht in jedem Fall Freude auf über die ungebetene Großzügigkeit der Spender, denn naturgemäß möchte man sich nicht als willfähriges Marketing-Tool ausgebuffter Tandler instrumentalisieren lassen – oder doch jedenfalls nicht ständig!

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