Kunsthandel

Funktional und spielerisch

Die Ceramic Art in London überrascht mit Rückbezügen zum „klassischen“ Formenkanon. Vom 8. bis 10. April öffnet die Messe in Central Saint Martins. 

Von Horst Makus
29.03.2016

Vom 8. bis zum 10. April findet in London die „Ceramic Art 2016“ statt. Dieses „international contemporary ceramics event of the year“, das sich nach Aussage der Veranstalter als führende Messe für zeitgenössische Keramik versteht und in der Tat hochrangig bestückt ist, wird in Verbindung mit der Zeitschrift Ceramic Revue von der „Craft Potters Association“ durchgeführt, einer 1958 gegründeten Organisation, die sich als Vereinigung künstlerisch tätiger Keramiker erfolgreich etablieren konnte und zur Zeit über einen Bestand von rund zweihundert aktiven Mitgliedern verfügt. Die zwölfte Veranstaltung dieser Reihe findet erstmals in den Räumen des Central Saint Martins statt, einem zur University of Arts in London gehörenden College of Art and Design, das 1989 aus dem Zusammenschluss der Central School of Art and Design und der Saint Martin’s School of Art entstand. In den am Granary Square, unweit der U-Bahn-Station King’s Cross gelegenen Räumlichkeiten sind 88 Kunst-Keramikerinnen und -Keramiker mit einer Auswahl aktueller Arbeiten vertreten, die zu Preisen zwischen 30 und 10.000 Pfund angeboten werden. Neben Arbeiten aus Großbritannien sind auch Beiträge aus Australien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Japan, Süd-Korea und Spanien vertreten. Begleitet wird die Veranstaltung von einem umfangreichen Rahmenprogramm, das bei freiem Eintritt neben Diskussionen und Vorträgen zur Geschichte der Keramik auch Filme und praktische Demonstrationen umfasst. In einer begleitenden Ausstellung sind Arbeiten von Absolventen der Hochschule zu sehen.

Bei einer Durchsicht der Teilnehmerliste begegnet man neben Peter Beard, Duncan Ross oder Sasha Wardell, die bereits in der 1995 vorgestellten Kollektion des 2010 verstorbenen Sammlers Adolf Egner vertreten waren, auch Namen wie Thomas Bohle, Rowena Brown oder Richard Miller, deren Arbeiten – teilweise über Schenkungen – Eingang in Bestände deutscher Museen, beispielsweise in die umfangreichen Sammlungen des Grassi-Museums in Leipzig, gefunden haben. Es ist zwar anzunehmen, dass auch in den zahlreichen privaten Sammlungen moderner künstlerischer Keramik der eine oder andere Name vertreten ist. Aber ebenso kann als sicher gelten, dass es hier wie dort eine größere Zahl von Lücken gibt, die der Auffüllung bedürfen. Und nicht nur unter diesem Aspekt kann der Besuch der Londoner Verkaufsausstellung uneingeschränkt angeraten werden. Arbeiten von Aimée Bollu in eigenwilligen Arrangements, Ensembles architektonischer Formen und Formelemente von Rowena Brown, Rasterstrukturen von Isobel Egan, Terra-Sigillata-Objekte von Duncan Ross, Miniaturen in vielfältigen Glasurvarianten von Yuta Segawa – schon diese willkürliche Auswahl vermittelt einen Eindruck von der Fülle und Vielseitigkeit des Angebots. Raymond Church bezieht in seine figürlichen Dekore Elemente antiker Töpferkunst ein, die Steinzeugarbeiten von James Hake lassen Rückgriffe auf nahöstliche Vorlagen erkennen, und in den Gefäßen von Margaret Curtis (Abb. oben) wird die Aufnahme und Verarbeitung von japanischen Anregungen erkennbar.

Veranstaltungen dieser Art mit einer umfassenden Präsentation neuer und neuester Arbeiten werfen regelmäßig die Frage auf, ob sich in der Auswahl der gezeigten Objekte, ihrem Erscheinungsbild, den Eigenheiten ihrer Gestaltung und der Art der verwendeten keramischen Werkstoffe allgemeine Trends erkennen lassen. Der Anteil von Keramikerinnen und Keramikern wie Justin Allison, Julie Ayton, Sophie Cook (Abb.), Margaret Curtis, Jack Doherty, Nathalie Domingo, David und Margaret Frith, Allison Gautrey und Tanya Gomez, die sich auf dem Hintergrund ihrer Ausbildung und biogra- fischer Anregungen ausschließlich oder vorwiegend dem Porzellan widmen, könnte auf eine stärkere Hinlöffel von Sue Pryke über die historisierenden Zitate in den Henkeln und Füßchen der Geschirre von Barbara Hast bis zu dem Deckel eines kannenartigen Gefäßes von Charlotte Pack, auf dem ein ruhender Wildhund plaziert ist (Abb. oben). Schließlich könnte in dem Anteil von Objekten mit gegenständlichen und figürlichen Darstellungen, die von Kyra Canes Impressionen von Landschaften bis zu den bereits erwähnten antiken Reminiszenzen von Raymond Church reichen, ein Indikator für die Neubelebung lange verpönter malerischer Dekore gesehen werden. Noch ist offen, welchen Weg die Entwicklung nimmt. Die Liebhaber und Sammler zeitgenössischer Keramik sollten jedenfalls ihren Weg nach London nehmen. In der direkten Begegnung mit den Objekten und im persönlichen Kontakt mit den Künstlerinnen und Künstlern werden sich nicht zuletzt auch neue Aufschlüsse und Einsichten einstellen.

Ceramic Art London, Central Saint martins,
8. – 10. April

 

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