Die 47. Art Basel besinnt sich auf kritische Positionen. Christiane Meixner wirft einen Blick auf die Highlights der diesjährigen Ausgabe
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13.06.2016
Das Wort „Basel“ ist in der Kunstmessenwelt zur Marke geworden. Seit die Art Basel 2001 nach Miami Beach und 2013 nach Hongkong expandierte, wurden auch dort Schweizer Qualitätsstandards in der Messekojenbefüllung eingeführt. Wenn jetzt die MCH Group, Mutterunternehmen der Art Basel, erklärt, eine Reihe von Regionalmessen übernehmen zu wollen – Gerüchte drehen sich um die Art Brussels, die India Art Fair in Neu-Delhi oder auch die Istanbuler ArtInternational –, um diese Messen in einem eigenen „Portfolio“ zu managen, dann ist das eine zwiespältige Vision. Einerseits weckt das Interesse der MCH Aufmerksamkeit für die Messen. Andererseits droht eine Standardisierung in der Messepräsentation, die Sammler auf ihren Rundreisen bald ermüden könnte. Da kommt es gut an, wenn sich die 47. Ausgabe der Art Basel nun auf immanente Rekorde besinnt.
88 Projekte für die „Art Unlimited“-Sektion werden im Vorfeld annonciert, so viel wie nie. Es sind große, eindrucksvolle Installationen, die jede Koje sprengen würden, deshalb ihre eigene Zone in den weitläufigen Hallen bekommen und mitunter wie eine kuratierte Ausstellung im Messetrubel wirken. Die Berliner Galerie Neugerriemschneider zeigt etwa Werke von Ai Weiwei, Metro Pictures aus New York baut die flimmernden Röhrenfernseher der 2004 verstorbenen Künstlerin Gretchen Bender wieder auf – und Skarstedt bringt mit „Reconstructed History“ noch einmal die obszöne Seite von Mike Kelleys Schaffen in Erinnerung. Insgesamt aber thematisieren viele der künstlerischen Arrangements streitbare Themen. Wie Bender, der es in ihrer Installation „Total Recall“ (1987) um den Einfluss medialer Bilder auf das Bewusstsein ging.
Natürlich erwartet man von Messen keine Statements zur politischen Gegenwart. Doch es fällt auf, dass zahlreiche Teilnehmer – in diesem Jahr sind es 286 Galerien aus 33 Ländern – mit der Auswahl ihrer Künstler kritische Positionen mitbringen. So zeigt die Galerie Waldburger Wouters Arbeiten der feministischen Fotografin Lynn Hershman Leeson, die Laura Bartlett Gallery gibt Künstlerin Sol Calero aus Venezuela Raum für ein „Bureau de Change“, in dem die fragile Geldzirkulation in ihrer Heimat beleuchtet wird. Olaf Metzel, bekannt für skulpturale Provokationen, stellt im „Statement“-Sektor mit der Installation „Sammelstelle“ ein Projekt von 1992 vor, das ursprünglich als Reaktion auf die Ankunft von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien in Deutschland gedacht war, aktuell allerdings ganz neue Perspektiven entwickelt (Galerie Wentrup).
Dazu passt die Arbeit auf dem Vorplatz der Messe. „Zome Alloy“ heißt das Projekt des in Los Angeles lebenden Künstlers Oscar Tuazon, der eine Architektur von Steve Baer adaptiert. Das Original, eine zeltartige Leichtkonstruktion von 1972, dient Baer und seiner Frau bis heute als Behausung. Tuazon wolle die Frage stellen, was „ein Haus sein kann“, erklärt die Art Basel. Sollten sich Sammler tatsächlich ein Beispiel an den Baers nehmen, die einst in der ersten amerikanischen Hippiekommune lebten, hätte auf den 215 Quadratmetern Lebensfläche vielleicht noch eine Skulptur Platz. An den Wänden aber hielte kein Bild, und wollte man ein „Unlimited“-Werk erstehen, müssten die Bewohner im Gegenzug ausziehen.
Art Basel, 16. bis 19. Juni, artbasel.com
Diesen Beitrag finden Sie in der WELTKUNST Nr. 116/Juni 2016