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Klug gewählt: Der neue Städel-Direktor

Philipp Demandt, der Leiter der Alten Nationalgalerie in Berlin, wird Museumsgeneral in Frankfurt am Main

Von Sebastian Preuss
27.06.2016

Es ist eine überraschende und auch mutige, ja man könnte fast sagen: eine ziemlich coole Entscheidung, die das Städel bei der Wahl seines künftigen Chefs getroffen hat. Philipp Demandt hatte selbst im eng verflochtenen Kunstbetriebs niemand auf der Rechnung, als es um die Nachfolge des allseits bewunderten und gepriesenen Max Hollein ging. Nach fünfzehn segensreichen Jahren in Frankfurt – erst als Schirn-Direktor, seit 2006 auch als Chef des Städel und der Skulpturensammlung im Liebieghaus. Er sorgte für ein wahres Kunstwunder in der Stadt am Main, aktivierte das brachliegende Mäzenatentum und sorgte für einen Ausstellungscoup nach dem anderen.

Frankfurt wusste und würdigte sehr wohl, wem allein es den neuen Kunstglanz verdankte. Entsprechend verkatert und erst einmal ratlos war man, als Hollein im März seinen schon baldigen Weggang ans Fine Arts Museum in San Francisco verkündigte. Die Drähte der Headhunter müssen heißgelaufen sein. Einer der ersten, der ersten gefragt wurde, war angeblich Sam Keller von der Fondation Beyeler in Basel. Doch der winkte ab. Auch mit den anderen bekannten Figuren auf dem ziemlich ausgedünnten Karrussell der deutschen Museumsspitzenkräfte wurde man offenbar nicht einig. Vielleicht ist das Städel, ist Frankfurt nicht attraktiv genug für Möchtegern-Museumsgenerale, die nach München, Berlin oder ins Ausland schielen.

Das alles ist Spekulation, denn es sickerte nur wenig durch von der Findung des neuen Frankfurter Museumspapstes, der in der Bankenstadt natürlich auch ein schneidiger Manager sein soll. Fakt ist, dass die Städel-Administration offenbar recht bald begann, sich kreativ und unvoreingenommen unter jüngeren Museumskustoden umzuschauen. Nach jemandem, der noch keinen der typischen Sprungbrett-Direktorenthrone besetzte. So hatte man es schließlich auch schon getan, als man den damals erst 32-jährigen Hollein gewann. Es zeugt von der Klugheit und Offenheit der Frankfurter, dass sie bei Philipp Demandt landeten. Denn er ist kein Mann der Gegenwartskunst, die heute in allen Museen das Geschehen bestimmt. Und der 45-Jährige ist ein Quereinsteiger, der nach einer viel gelobten Doktorarbeit über die künstlerische Verehrung der preußischen Königin Luise und einer Tätigkeit am Berliner Bröhan-Museum zur Kulturstiftung der Länder ging und dort als Referent jahrelang erfolgreich Museen mit Hilfe bei Neuerwerbungen beglückte.

Kulturpolitische Funktionäre bekommen selten die Gelegenheit, in die Museumspraxis überzuwechseln. Demandt gelang es, berufen von einem ebenso unkonventionellen Quereinsteiger, dem ehemaligen Augenoptiker Udo Kittelmann, der es als höchst unkonventionellen Kurator bis zum Herr über die sechs Häuser der Berliner Nationalgalerie geschafft hatte. Sein Gespür für Demandts verborgene Qualitäten im Umgang mit der Kunst trog nicht. Seit Januar 2012 setzte Demandt als Sammlungsleiter der Alten Nationalgalerie verblüffend neue Akzente, holte lange verbannte Werke wieder aus dem Depot, begeisterte das Publikum wieder für Künstler der Belle Époque, die im Schatten der Avantgarden in Verdamnis geraten waren. Er krempelte die Sammlung nicht brachial um, sondern zeigte mit Fingerspitzengefühl und qualitätvollen Einzelwerken, wie man die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts und der Umbruchszeit um 1900 behutsam umschreiben und dabei auch der akademischen Salonmalerei wieder etwas abgewinnen kann. Zum großen Ausstellungserfolg wurde der Tierbildhauer Rembrandt Bugatti, mit einem Depotbild des Orientalisten Osman Hamdi Bey holte Demandt in Scharen ein türkisches Publikum ins Haus.

Diesem intelligenten, mutigen und ungewöhnlich agierenden Museumsmann hat man nun das Frankfurter Städel mit weltberühmten Werken von Jan van Eyck bis Rembrandt und vielen Höhepunkten in der Moderne übertragen; zudem mit dem Liebieghaus eine hervorragende Skulpturensammlung von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. Es deutet sich an, dass ihm (wie Hollein) auch noch die städtische Kunsthalle Schirn in Personalunion übertragen wird – wenn deren Aufsichtsrat zustimmt. Gleichsam über Nacht wird aus dem genüsslichen Kenner, aus dem Kustoden des 19. Jahrhunderts einer der großen deutschen Direktoren in Deutschland, Herr über ein ganzes Museumskonsortium, über Kunstschätze aller Epochen, sowie der Verantwortliche für die Blockbuster-Ausstellungen; er wird eine Schlüsselstelle im Frankfurter Kulturleben besetzen.

Den Manager, den Finanzjongleur, auch den Umgarner der Banker und der Frankfurter Gesellschaftsdamen – das muss Demandt jetzt alles in sich entdecken. Wer ihn kennt, der zweifelt nicht daran, dass es ihm gelingen wird. Langeweile wird mit ihm in Frankfurt gewiss nicht aufkommen.

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