Auktionen

Das Vermächtnis des Kieler Tenors

Wiener und Münchner Künstler der Biedermeier-Ära waren die heimliche Leidenschaft des Martin Häusler. Bis zu seinem Tod 2012 trug der Kieler Tenor eine qualitativ herausragende Sammlung von 80 Gemälden des 19. Jahrhunderts zusammen, die nun am 19. November im Auktionshaus Schramm neben weiteren Fundstücken meistbietend versteigert werden.

Von Martin Miersch
20.11.2016

Ins Auge fällt zunächst das Bild »Mutterfreuden« von Friedrich Ritter von Amerling. Um 1840 entstanden, zeigt es eine junge dunkelhaarige Frau in weißem Kleid, die sich ihrem schlafenden Säugling zuwendet. Das Bild ist mit einem sehr moderaten Schätzpreis von 8000 Euro versehen. Dieser muss angesichts der 1,5 Mio Euro, die Amerlings »Mädchen mit Strohhut« 2008 im Wiener Dorotheum erzielte, wohl noch erheblich nach oben korrigiert werden.
Die eigentliche Entdeckung innerhalb dieser Sammlung aber ist ein Knabenporträt des Wiener Malers Johann Baptist Reiter zur Taxe von 4000 Euro. Der Junge im weißen Hemd schaut den Betrachter ängstlich an. Ist er bei einem kleinen Vergehen ertappt worden? Reiter gelingt hier mehr als ein bloßes Porträt, es ist eine subtile Persönlichkeitsstudie. Er zeigt damit ein erstaunliches Einfühlungsvermögen in kindliche Nöte und Ängste. Nach seinem Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien hatte Reiter mit seinen Gemälden zunehmenden Erfolg und führte als gefeierter Wiener Bildnis- und Genremaler ein großes Haus. Zwischen 1850 und 1870 stellte er regelmäßig im Österreichischen Kunstverein aus.

Der Wiener Carl Schweninger d. Ä. glänzt mit einer »nähenden Schönheit« von circa 1850. Auf der Terrassenbrüstung sitzt ein nähendes Mädchen im weißen Kleid, vor ihr ein schlafender Hund, im Hintergrund erscheint ein Dorf vor einer Gebirgssilhouette (Taxe 8000 Euro). Von seinem Sohn Carl Schweninger d. J. stammt das um 1890 entstandene Hochformat »Junge Liebe«: Im Garten vor einer Steinmauer lehnt eine junge Frau im leichten weißen Kleid, eine Brust entblößt, einen Arm vor die Stirn haltend, der andere wird am ­Handgelenk von einem Mann ­ fest­gehalten, der hinter der Mauer steht und ihr offen­sichtlich ­liebend zugeneigt ist (Taxe 8000 Euro). Franz von Defregger ist mit dem Porträt einer Frau um 1880 vertreten (Taxe 2500 Euro).
Innerhalb der Ikonen-Offerte ragt eine Riza-Ikone mit der Gottesmutter von Wladimir heraus (Taxe 2000 Euro). Sie ist 1863 datiert und weist eine Überdeckung aus gepunztem und vergoldetem Silber auf sowie einen vergoldeten Nimbus mit floraler Punzierung. Daneben finden sich Trouvaillen wie eine Geldbörse mit Bügelverschluss aus Perlmutt um 1900 mit der Aufschrift »Grüße aus Kiel«, die bereits für 50 Euro angeboten wird.

ABBILDUNG

Johann Baptist Reiter, „Knabenporträt um 1850“, Öl/Lw., 73 x 59 cm, Schramm, Kiel, Taxe 4000 Euro (Foto: Schramm, Kiel)

AUKTION

Schramm, Kiel, 19. November

Katalog

DIESER BEITRAG ERSCHIEN IN

WELTKUNST Nr. 122/2016

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