Aufbruchstimmung vielerorts: London verlässt die Europäische Union, Thaddaeus Ropac zieht in die britische Metropole, Henrike Nielsen und Oliver Croy kehren Berlin den Rücken. Doch warum wechseln derzeit so viele Galerien ihren Standort?
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19.12.2016
Als sich der aus Salzburg stammende und in Paris lebende Galerist Thaddaeus Ropac im Sommer für eine weitere Dependance entschied, fielen die Ereignisse fast zusammen: hier der Ausstieg, dort die Pläne zum baldigen Einzug in einen ehrwürdigen Stadtpalast.
Persönlich bedauere er die Entscheidung der Briten, sagt Ropac. An seinen Plänen, das Haus im zentralen Bezirk Mayfair nach einem Umbau im kommenden Frühjahr zu eröffnen, ändere das jedoch ebenso wenig wie an Londons Bedeutung für den Handel: „Die Stadt bleibt Europas Kunstmarktmetropole“. Seine Galerie, die Künstler wie Georg Baselitz und Anselm Kiefer oder den Nachlass von Elaine Sturtevant vertritt, wachse beständig. Der neue Standort sei unter diesem Aspekt ein „logischer Schritt“ für jemanden, der sich wie Ropac als überzeugter Europäer verstehe. Seinen Entschluss habe er unabhängig von allen steuerlichen Aspekten gefasst, es gehe allein „um Relevanz“.
Ropac sieht der Zukunft entspannt entgegen. Seine Dependancen bilden bald ein europäisches Netz. Flexibilität ist kein Problem, möglichen Nachteilen in einem Land kann er flexibel ausweichen. Anders verhält es sich bei Galerien mit einem einzigen Standort. Wer sich für Deutschland entschieden hat, kämpft bekanntlich inzwischen mit mehreren Nachteilen: Zur Erhöhung der Mehrwertsteuer von 2014 gesellen sich die pauschalen Beiträge für die Künstlersozialkasse, das Folgerecht – und nun noch das neue Kulturgutschutzgesetz.
Kritik gab es viel an der neuen Situation, dazu das Szenario, dass Galeristen auf die Verzerrungen im internationalen Wettbewerb mit Wegzug reagieren. Schon im Sommer zog sich etwa VeneKlasen Werner aus Berlin nach New York zurück, von wo aus man 2009 einen Ableger an der Spree eröffnete. Ebenfalls die Hauptstadt verlassen hat der Galerist Michael Krome – seine Räume findet man jetzt im Zentrum von Luxemburg. Wenn sich nun mit dem Duo Henrikke Nielsen und Oliver Croy eine weitere erfolgreiche Galerie aus Berlin verabschiedet, um in Wien, wie just geschehen, neue Räume zu eröffnen, liegt das Fazit nahe: Croy Nielsen mit Künstlern wie Nina Beier oder Sebastian Black haben keine Lust mehr auf die Bedingungen im deutschen Kunsthandel.
Doch Henrikke Nielsen winkt ab. Der Umzug habe diverse Gründe, darunter familiäre. Ihr Mann Oliver Croy ist gebürtiger Österreicher, und ja: Es gebe eine Lust auf Neues, schließlich war man acht Jahre lang in Berlin-Mitte präsent. Ihre Räume dort hätten die Galeristen ohnehin verlassen, so sei man ins Nachdenken gekommen, habe Möglichkeiten durchgespielt und nicht zuletzt die von der Galerie vertretenen Künstler befragt. Am Ende war klar: Croy Nielsen tauschen die White-Cube-Atmosphäre ihres ebenerdigen Ladenlokals gegen den Charme einer Wiener Beletage am Parkring.
Die neue Situation ist also noch kein treibender Grund für einen Wechsel. Vielleicht aber das Zünglein an der Waage, wenn es um existenzielle Entscheidungen für die Zukunft geht. Über das Kulturgutschutzgesetz wurde so heftig und leidenschaftlich debattiert, dass nun zahllose Interpretationen der Ausfuhrbedingungen von Kunst kursieren. Vieles davon mag nicht oder nur teilweise stimmen, lässt aber dennoch globale Sammler vor Käufen in Deutschland zurückschrecken. Die Galerie Beck & Eggeling entschied sich deshalb für zusätzliche Wiener Räume – um im Wettbewerb zu bleiben. Aus gutem Grund. In mehr als zwei Jahrzehnten hat sie in Düsseldorf ein Programm mit junger Kunst aufgebaut. Genauso wichtig ist für Ute Eggeling und Michael Beck allerdings der sekundäre Markt, wo man mit Impressionisten handelt, mit Werken des Expressionismus und der klassischen Moderne. Bilder von Beckmann, Corinth, Klee oder Münter: Bei solchen Namen sind die Voraussetzungen schnell erreicht, unter denen eine Ausfuhr genehmigt werden muss. Beck & Eggeling wickelt solche Geschäfte nun über Wien ab und zeigt, dass hoher Druck vor allem eines fördert: Die Suche nach einem Ventil.
Die Galerie Croy Nielsen ist von Berlin nach Wien gezogen. (Bild: Croy Nielsen)