Kunstwissen

Kein Grund zum Jubel

Während der Markt Künstlerinnen im fortgeschrittenen Alter entdeckt, vertreten junge Galeristinnen kaum Frauen. Was ist da los?

Von Nina Schedlmayer
21.12.2016

Die Tendenz ist seit Jahren kaum zu übersehen: Lange ignorierte Künstlerinnen, die entweder im fortgeschrittenen Alter oder bereits verstorben sind, werden zusehends vom Kunstbetrieb wieder ans Licht geholt. Schwer zu sagen, ob die Angelegenheit mit Carmen Herrera anfing, die im Alter von 89 angeblich das erste Mal in ihrem Leben ein Kunstwerk verkaufte und heute von der Londoner Lisson Gallery vertreten wird. Oder mit der einst völlig unbekannten Etel Adnan, die auf der Documenta 2012 mit ihren starken Gemälden zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit beeindruckte und kürzlich in der Serpentine Gallery einen weiteren großen Auftritt hatte.

 

Auch in Wien wurden in der jüngeren Vergangenheit einige Künstlerinnen neu entdeckt. So fristete die Malerin Martha Jungwirth (76) ebenso wie die Performerin, Fotokünstlerin und Bildhauerin Renate Bertlmann (73) lange Zeit ein Schattendasein. Ihre radikalen und wegweisenden Arbeiten waren einem breiteren Publikum bis vor Kurzem unbekannt. Nun stellen sie bei renommierten Galerien aus – Jungwirth bei Ursula Krinzinger, Bertlmann bei Silvia Steinek. Und die Preise ziehen sichtlich an. 

Der Kunsthandel besitzt ein vitales Interesse daran, dass Positionen wie diese neu bewertet werden. Das trifft auch auf Künstlerinnen anderer Epochen zu. Bis 1. Mai 2017 zeigt das Jüdische Museum Wien die Ausstellung „Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen bis 1938“. Wie die Kuratorinnen Sabine Fellner und Andrea Winklbauer erzählten, erhielten sie für ihr bemerkenswertes Projekt – es förderte progressive, aber großteils völlig unbekannte Künstlerinnen zu Tage – auch aus dem Kunsthandel tatkräftige Unterstützung. So gab ihnen der Galerist Andreas Wurzer (Galerie bei der Oper) wertvolle Hinweise für ihre nahezu detektivische Recherche – schließlich stößt man auf Künstlerinnen wie Margarete Hamerschlag, eine expressionistische Grafikerin mit eindrücklichen Kompositionen, nicht mal eben in einer Museumspräsentation. 

Das Engagement des Kunsthandels ist freilich alles andere als altruistisch oder gar feministisch: Schließlich versprechen Neuentdeckungen, entsprechend gut museal platziert, größere Preissprünge als schon bekannte Namen. Und da Künstlerinnen nicht nur während ihrer Karriere, sondern auch noch in der posthumen Rezeption stets einen Startnachteil hatten, ist heute bei der weiblichen Hälfte des künstlerischen Schaffens in dieser Hinsicht schlichtweg mehr zu holen als bei der männlichen. 

Wer nun aber angesichts derlei imposanter, oft internationaler, Siegeszüge wie der einer Herrera oder einer Adnan meinen würde, dass es jüngere Künstlerinnen am Markt heute leichter haben als ihre Ahninnen, der irrt gewaltig. Denn noch immer herrscht fast überall männliche Dominanz. In Wien zeigt sich dieser Umstand derzeit mit besonderem Bombast. Die Albertina präsentiert dieses Jahr keine einzige weibliche Solo-Show, und auch im Belvedere und im Museum moderner Kunst könnte die Frauenquote höher sein – würden sich die verantwortlichen Direktorinnen nur dafür interessieren. Und leider scheinen sich gerade jüngere Kunsthändlerinnen um ihre Geschlechtsgenossinnen kaum zu scheren. In Wien eröffneten erst in den vergangenen zwei, drei Jahren einige ambitionierte junge Frauen Galerien – etwa Lisa Kandlhofer, Nathalie Halgand und Barbara Pretterhofer. Wer allerdings ihre Künstlerlisten studiert, entdeckt einen regelrecht mickrigen Frauenanteil. Fragt man nach den Gründen, wird von persönlichen Schwierigkeiten mit Künstlerinnen berichtet und beteuert, dass man schließlich nicht auf das Geschlecht, sondern auf die Qualität der Kunst achte – sich aber ohnehin bemühe, in Zukunft mehr Künstlerinnen zu zeigen. Aussagen wie diese muten im Jahr 2016, wo der Großteil der Kunststudierenden weiblich ist, reichlich merkwürdig an. Paradoxerweise erscheint dann neben den jungen Galeristinnen ein alter Hase wie Hubert Winter, der mehr Künstlerinnen als seine Newcomer-Kolleginnen im Programm hat, wie ein Vorreiter des Feminismus. 

Wenn sich die Geschlechterverhältnisse in den Galerien für jüngere zeitgenössische Kunst nicht ändern, dann werden die nachfolgenden Generationen jedenfalls auch noch tolle Wiederentdeckungen feiern können. Zu bejubeln gibt es daran gegenwärtig freilich rein gar nichts.

Service

Abbildung ganz oben:

Edith Kramer, „The Black Eye“, Öl/Lwd., 1943,
30,5 x 30,5 cm, Jüdisches Museum Wien, Inv. Nr. 14353, (Foto: Sebastian Gansrigler)

Dieser Artikel erschien in

KUNST UND AUKTIONEN Nr. 20/2016

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