Der Morgen fängt gut an, wenn man in Schwerin als Erstes das Schloss erblickt. Malerisch und ockergelb erhebt sich das Stammhaus der mecklenburgischen Herzöge auf der Burgseeinsel, wirft fantastische Wasserspiegelungen von glitzernden Goldkuppeln und Türmchen in den Schweriner See. Schnell verzückt es seine Betrachter, die darin ein Dornröschenschloss erkennen, das Neuschwanstein im Norden oder das deutsche Chambord. Kein Wunder. Denn sein heutiges Gesicht verdankt der Prachtbau ab 1843 Hofbaumeister Georg Adolph Demmler, einem Schinkel-Schüler, der sich vom Schloss an der Loire inspirieren ließ. Für eine Fürstenresidenz in Deutschland ist der romantische Historismus einzigartig, weshalb Schwerin Unesco-Welterbe werden will.
Über die Schlossbrücke nähert man sich dem „schönsten Landtag Deutschlands“. Zu besichtigen ist das Schlossmuseum mit original erhaltenem Thronsaal. Die 2014 neu gestaltete Silberkammer zeigt nicht nur kostbare Prunkterrinen, sie verrät auch Geheimnisse über die höfische Etikette und Tischkultur. Danach flaniert man im barocken Schlossgarten durch Laubengänge, über verschlungene Wege, zum Kreuzkanal oder zu den Allegorien von Flora, Bacchus und Diana.
Kein Weg führt am Staatlichen Museum vorbei, schräg gegenüber vom Schloss ist es schon sichtbar. Liebhaber der holländischen und flämischen Malerei finden in der Galerie Hunderte Gemälde des Goldenen Zeitalters, deren berühmtestes Carel Fabritius’ „Torwache“ ist. Der Musentempel bekennt sich aber auch zur Moderne – mit Werken von Marcel Duchamp oder dem surreal „Schwebenden Liebespaar“ des DDR-Malers Wolfgang Mattheuer. Seit letztem Juni ist der zweigeschossige Uecker-Bau mit 1400 Quadratmetern Ausstellungsfläche für Kunst nach 1945 hinzugekommen. Mit dem Annex ehrt man den aus Mecklenburg stammenden Künstler Günther Uecker. Ihm ist die ganze obere Etage gewidmet.
Nun wird es Zeit, den Magen zu besänftigen. Das Bistro-Restaurant La Bouche in der Buschstraße 9 ist in fünf Gehminuten erreicht, serviert Französisches und war dem Michelin einen Eintrag wert. Man ist hier mitten in der Altstadt. Der mittelalterliche Dom ragt vor einem auf, und biegt man rechts in die Schmiedestraße ein, ist man sofort am Markt mit dem Säulengebäude und zig Cafés – Schweriner haben viel Sinn für süße Sünden.
Gestärkt geht es nachmittags nach Ludwigslust, nur eine halbe Autostunde entfernt. Auf dem platten Land warten der größte Landschaftspark Mecklenburg-Vorpommerns und das prunkvolle Barockschloss, das „Versailles des Nordens“. Nach langer Restaurierung wurde 2016 der Ostflügel wiedereröffnet, wo neben dem Goldenen Saal die Oudry-Menagerie zu bestaunen ist, die zuvor eine der Hauptattraktionen des Schweriner Kunstmuseums war. Wer die 13 großformatigen Tiergemälde aus dem einmaligen Zyklus von Jean-Baptiste Oudry, Hofmaler des französischen Monarchen Ludwig XV., sehen will, muss nun nach Ludwigslust: Nur das lebensgroße Nashorn Clara ist der Landeshauptstadt geblieben. Nach 140 Jahren ist auch die Gemäldegalerie mit der Petersburger Hängung wieder da: 70 Werke an original graugrünen Wänden, dicht an dicht, dass es knirscht.