Kunstwissen

Nicht öffentlich zugänglich

Was die Bundesbauten und den Bundestag schmückt

Von Peter Dittmar
16.08.2017

Der Staat versteht nichts von Kunst. Die Regierung und die Beamten sind konservativ, konventionell und ignorant. Das ist eine allgemein verbreitete Meinung. Sie schließt aber nicht aus, dass der Staat und die Regierung die Kunst fördern sollen, die zeitgenössische natürlich. Und da wiederum die progressive, aufmüpfige, gesellschaftsverändernde. Nicht zuletzt mit ein oder zwei Prozent der Gelder für öffentliche Bauten. Das gilt, nur zu oft schwankend zwischen Dekoration und Sozialhilfe, seit der Weimarer Zeit. Claudia Büttner schildert das ausführlich und zitatenreich (die NS-Zeit und die DDR eingeschlossen) in ihrer Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland (d-nb.info/1013249054). 

„Schätzungsweise 8000 bis 10.000 Kunstwerke wurden seit 1950 im Auftrag des Bundes realisiert“, verrät jetzt eine Mitteilung des Bundesbauministeriums. Anlass ist das virtuelle „Museum der 1000 Orte. Kunst am Bau im Auftrag des Bundes seit 1950“. Tatsächlich ist die Zahl nur ein Versprechen. Denn unter www.museum-der-1000-orte.de sind bisher 121 Kunstwerke von 109 Künstlern in, an oder vor 58 Gebäuden erfasst. Man kann sie alphabetisch nach Künstlern, chronologisch nach der Entstehungszeit oder nach den Orten abfragen. Die Liste beginnt mit Wafae Ahalouch el Keriasti, die in Tanger geboren wurde und in Amsterdam lebt, und endet bei Beat Zoderer aus Zürich, denn die Auswahl gibt sich weltoffen. Das älteste Beispiel ist der 24 Meter lange Fries „Aufbau der Republik“ aus Meißner Fliesen, 1953 von Max Lingner für das „Haus der Ministerien“ der DDR, heute Finanzministerium, entworfen. In Bonn waren im Jahr darauf Gerhard Marcks und Charles Crodel die ersten, die einen „Kunst am Bau“-Auftrag für das Auswärtige Amt, heute Bundesrechnungshof, erhielten. Die jüngste Arbeit, „Atrium – Wo das Schaf und der Wolf aus dem Pelz kamen“ von Denise Winter, entstand 2013 für das Landwirtschaftsministerium. Sie steht für das Genderbewusstsein der Auftraggeber, denn von den dreizehn Arbeiten, die seit 2012 realisiert wurden, stammen sieben von Künstlerinnen. Allerdings, das verrät die Auflistung, sind drei Viertel dieser Kunstwerke „nicht öffentlich zugänglich“. Aber das Internet bietet als Trost jeweils mehrere Fotos, längere Werkbeschreibungen und dazu die Biografien der Künstler.

Beat Zoderer beschließt auch die Liste der Künstler, die dem alten Reichstag als Domizil des Deutschen Bundestags Schönheit und Würde verleihen. 53 sind es insgesamt, darunter neun Künstlerinnen. Sie alle sind mit Werkabbildung, Biografie und einer ausführlichen Beschreibung ihrer Arbeit unter www.bundestag.de/kunst in der Rubrik „Kunst am Bau“ versammelt – als fortlaufender Text und einige auch mit einem Flyer. Außerdem wird unter „Artothek – die Kunstsammlung“ jener Bestand aufgeführt, aus dem sich die Abgeordneten Dekoratives oder Anregendes für ihre Büros aussuchen können. Der Grundstock wurde 1969, als der „Lange Eugen“ in Bonn bezugsfertig war, mit 500 Werken für jeweils 500 Mark gelegt. Inzwischen sind es rund 4000. Davon kann, was seit 2010 dazukam, jahrweise aufgerufen und betrachtet werden. Außerdem lässt das Kapitel „Provenienzforschung“ wissen, dass man bei den rund 610 Grafiken, die vor 1945 entstanden, die Vorbesitzer zu eruieren bemüht ist. Davon erwiesen sich 450 als „nicht belastet“. Darunter viel „Gebrauchsware“ wie die 25 Zeichnungen von Hildegard Arminius oder die 400 Lithografien von Emil Stumpp mit Politikern der Weimarer Zeit. Aber auch Hogarth, Kollwitz, Lehmbruck oder Slevogt dürfen daran erinnern, dass Berlin nicht Weimar ist. 

Zur Startseite