„Scherben bringen Geld“ – noch besser allerdings, wenn mittelalterliches Glas so gut erhalten ist, wie die Scheibe aus dem aus Straßburger Besitz, die Neumeister auf 30.000 bis 50.000 Euro taxiert.
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01.07.2016
Nur äußerst selten kommt es vor, dass ein bedeutendes Werk mittelalterlicher Glaskunst in den Handel gelangt. Wenn dann noch ein ungewöhnliches Sujet, eine frühe Datierung und ein sehr guter Erhaltungszustand zusammenkommen, darf man ein reges Bieterinteresse erwarten. Die bei Neumeister angebotene Glasscheibe gehört zu einem Bestand von elf Scheiben, die heute im Musée de l’Œuvre Notre-Dame in Straßburg, im Stuttgarter Landesmuseum Württemberg und in der Burrell Collection in Glasgow aufbewahrt werden und deren Provenienz aus Straßburger Besitz nachweisbar ist. Sie entspricht dem Typus des Bibelfensters, das in typologischer Gegenüberstellung die Heilsgeschichte veranschaulicht und seinen Platz an prominenter Stelle an der Chorachse hatte. Es zeigt die ungewöhnliche Darstellung des Job, eines Feldherrn Davids, zusammen mit dem Ammoniterführer Achior. Nach der Judithgeschichte wurde der in Ungnade gefallene Achior auf Befehl des Holofernes an die Israeliten ausgeliefert und gefesselt, ehe er später zum Judentum konvertierte. Typologisch wurde seine Fesselung auf die Geißelung Christi bezogen, wie etwa das um 1280 entstandene jüngere Bibelfenster im Kölner Dom zeigt. Noch ist unklar, aus welcher Straßburger Kirche die Fenster stammen. Die um 1270 gefertigte Glasscheibe wird auf 30.000 bis 50.000 Euro taxiert.
Die Altmeisterabteilung glänzt mit zwei Pendants von Philipp Peter Roos: „Zwei Ziegen in südlicher Landschaft“ und „Ziegenbock und Schaf in südlicher Felsenlandschaft“ sollen zusammen 12.000 bis 15.000 Euro einspielen. Roos’ Beiname „Rosa da Tivoli“ wurde später zum Inbegriff der Tiermalerei des Spätbarock. Seine Darstellungen fanden Eingang in bedeutende Sammlungen. Er malte nahezu ausschließlich Ziegen und Schafe mit oder ohne Hirten in der zerklüfteten Campagna und stellt auch hier die Tiere dominierend in den Vordergrund.
Stolz präsentiert sich Johann Heinrich Tischbein d. Ä. 1756 mit seiner ersten Frau Marie Sophie. Bei dem Gemälde handelt es sich um eine eigenhändige, minimal variierende Wiederholung des Selbstporträts Tischbeins mit Marie Sophie in der Gemäldegalerie Berlin-Dahlem. Der erfolgreiche Hofmaler, vor der Staffelei stehend, wendet sich seiner jungen Gattin zu, die an einem Spinett sitzt. Der Dompfaff in seinem Käfig, versinnbildlicht die „süße Sklaverei der ehelichen Liebe“ (Taxe 15.000 bis 20.000 Euro).
Neumeister, München, 6. Juli
Diesen Beitrag finden Sie in der WELTKUNST Nr. 117/Juli 2016