Es war ein Wetteifern unter Freunden, als Julius Schnorr von Carolsfeld und Friedrich Olivier 1817 in der Umgebung von Wien jeweils Zweige mit welken Blättern zeichneten. Zweihundert Jahre später und nach einem bewegtem Schicksal mit Enteignung und Restitution kann man bei Bassenge erneut vergleichen.
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23.11.2016
Allerdings liegen zwischen den Auktionen der beiden Zeichnungen zwei Jahre. Im November 2014 kam zuerst die Arbeit „Welke Ahornblätter“ von Friedrich Olivier zum Aufruf, nachdem die Rechtslage worden war. Oliviers Urenkelin Marianne Schmiedl war 1939 im Zuge der „Judenvermögensabgabe“ gezwungen, die Zeichnungen abzugeben. 2014 wurde eine Regelung zur Restitution gefunden, die Blätter kamen auf den Markt. Mit dem Zuschlag von 2,6 Millionen Euro für Friedrich Oliviers „Welke Ahornblätter“ wurde bei Bassenge nicht nur die Erwartung von nur 120.000 korrigiert, sondern auch ein einsamer Rekord gesetzt. Diesen November folgt nun „Ein Zweig mit welken Blättern“, die Zeichnung von Oliviers Künstlerfreund Julius Schnorr von Carolsfeld und sein Beitrag zu jenem kleinen Wettbewerb von 1817. Bassenge schätzt den Wert auf 450.000 Euro.
Das Angebot im Bereich der Gemälde der deutschen Romantik ist diesmal besonders stark. Eduard Buchan ist mit der „Symbolischen Landschaft im Abendlicht mit Baum und Wanderer“ (Taxe 40.000 Euro) von 1832 vertreten. Als Schüler von Johan Christian Dahl war der heute fast unbekannte Buchan mit der Kunst des im gleichen Haus wohnenden Caspar David Friedrich vertraut, dessen inspirierende Wirkung hier zu spüren ist. Der in Naumburg geborene Buchan war in den 1820er-Jahren erfolgreich als Geschäftsmann in Mexiko, Argentinien, Peru und Chile tätig. 1824 gründete er in Veracruz eine Handelsgesellschaft, verlor aber sein Vermögen zum großen Teil durch die Unredlichkeit eines Geschäftsteilhabers. Später war er in Dresden als Kunsthändler tätig. In ihrer Symbolwirkung zusammengehörige Motive sind der Abendhimmel und der uralte, unten ausgehöhlte Riesenbaum. Im Hintergrund erblickt man eine kleine Kirche. Von Caspar David Friedrich hat Buchan, wie es scheint, den Glauben übernommen, dass die Natur dem Menschen eine Botschaft übermittelt: Das zum Sterben Verurteilte bringt neue Lebenskraft hervor. Das tadellos erhaltene Gemälde besitzt noch seinen ursprünglichen „Dresdner“ Keilrahmen, wie ihn auch Friedrich und Carus benutzten.
Neben der Federzeichnung »Straßenhandel im Judenviertel von Amsterdam« von Max Liebermann beeindruckt die Kreidezeichnung »Mutter, ihr Kind stillend“« (Taxe 10.000 Euro) von Käthe Kollwitz. Das Studienblatt thematisiert die sehr intime Mutter-Kind-Beziehung. Mit kräftigen, breiten Kohlestrichen erfasst Kollwitz die Konturen des an der Mutterbrust trinkenden Säuglings. Für sie war das Motiv von Mutter und Kind stets von großer Bedeutung.
Die Abteilung zeitgenössische Fotografie ist prominent mit Arbeiten von Otto Steinert, Terry O’Neill und Bernd und Hilla Becher bestückt. Letztere haben sich mit ihren Typologien industrieller Bauten einen festen Platz in der Geschichte der Fotografie erworben. Ihre drei zusammengehörigen Vintage-Prints „Kokskohlenturm, Grube Eschweiler Reserve, bei Aachen“ (Abb.) von 1964 gehören zu den eindrucksvollsten Aufnahmen industrieller Gebäude innerhalb ihres umfangreichen Œuvres. Ein Schätzpreis von 18.000 Euro erscheint daher durchaus gerechtfertigt.
Julius Schnorr von Carolsfeld (1794 – 1872 ), Ein Zweig mit welken Blättern, Feder über Bleistift auf Vellin, monogr., 1817 dat., 9,1 x 25,6cm (Foto: Bassenge, Berlin)