Während die amerikanische Kunstszene über Rassismus diskutiert, bilden Rekordzuschläge die Popularität schwarzer Gegenwartskünstler ab
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12.02.2018
Kein Kunstwerk erregte die Gemüter der Amerikaner im vergangenen Jahr heftiger als das Bild „Open Casket“, gemalt 2016 von Dana Schutz und ausgestellt im Frühjahr 2017 auf der Whitney Biennale in New York. Das Werk ist die malerische Verfremdung eines Fotos von 1955, das den afroamerikanischen Jugendlichen Emmett Till in seinem Sarg zeigt. Der 14-Jährige war von Weißen misshandelt und ermordet worden. Der Vorwurf gegen Schutz und ihr Gemälde lautete: Als weiße Künstlerin könne sie das Leid schwarzer Amerikaner nicht nachempfinden und dürfe es deshalb auch nicht darstellen. Erwartungsgemäß formierten sich die Streitparteien hinter den Schlagworten »cultural appropriation« (gemischt mit empathischem Defizit) auf der einen Seite und »Zensur der Kunstfreiheit« auf der anderen.
Der Markt, interessanterweise, scheint dieser Debatte schon entwachsen: Schließlich sind drei der fünf Künstler aus der Altersgruppe 40 Jahre und jünger, die im vergangenen Jahr bei den Evening Sales der großen Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s in New York und London eigene Rekorde aufgestellt haben, schwarz. Mehr noch: Es sind Künstler, die aus dem Repräsentationswillen ihrer schwarzen Identität kein Hehl machen. Jede Saison schicken die Auktionatoren Nachwuchskünstler ins Rennen, um die Versteigerungsroutine aufzupeppen.
Als sensationell erfolgreich entpuppte sich im Frühjahr die 1983 in Enugu (Nigeria) geborene Njideka Akunyili Crosby. Ihr Gemälde „The Beautiful Ones“ (2012), das ihre Schwester zeigt, wurde am 7. März 2017 bei Christie’s in London mit umgerechnet 2,56 Millionen Dollar als ihr teuerstes zugeschlagen. Dazu kamen vier weitere sechs- bis siebenstellige Zuschläge in der ersten Jahreshälfte für die Malerin, die in Los Angeles lebt. Sotheby’s hingegen verbuchte einen Künstlerrekord mit der vierzigjährigen Lynette Yiadom-Boakye, die bereits große Soloschauen in ihrer Heimatstadt London, in Basel und in New York hatte. Für ihr Gemälde „The Hours Behind You“ (2011) fiel am 16. November in New York der Hammer bei 1,3 Millionen Dollar.
Am Vortag konnte sich auch Adam Pendleton, geboren 1984 in Richmond, Virginia, über eine neue Bestmarke freuen: Seine politisch-abstrakte, in verschiedenen Schwarzschattierungen gehaltene Leinwand „Black Dada (K)“ (2012) erhielt bei Christie’s ein Höchstgebot von 180000 Dollar. Dass Yiadom-Boakyes Gemälde als Teil der berühmten New Yorker Privatsammlung von Jerome & Ellen Stern bei Sotheby’s eingeliefert wurde, zeigt beispielhaft den Status der Künstlerin an: Selbstbewusste Black Art trägt nicht nur zur Debatte bei, sondern hat sich auch zu einem lukrativen Zukunftssegment am Markt entwickelt.